"Besser, wenn er tot ist"

Vor dem Trierer Landgericht ist der Totschlagsprozess gegen eine 27 Jahre alte Frau aus Morbach fortgesetzt worden. Offenbar wollte die Mutter ihren viereinhalb Monate alten Sohn bereits am Abend vor der eigentlichen Tat töten. Über das Motiv herrscht nach wie vor Rätselraten.

 Die 27-jährige Irina K. hat gestern gestanden, ihren kleinen Sohn getötet zu haben. TV-Foto: Rolf Seydewitz

Die 27-jährige Irina K. hat gestern gestanden, ihren kleinen Sohn getötet zu haben. TV-Foto: Rolf Seydewitz

Trier. "Ich liebe Mama, ich vermisse Mama. Und ich bin traurig, dass sie so weit weg ist." Immer wieder fragt der neunjährige Sohn der Angeklagten Irina K. nach seiner Mutter. Zwei-, dreimal hat er sie mit dem Vater oder der Oma besucht, seit die 27-Jährige Anfang Februar festgenommen und ins Untersuchungsgefängnis gesteckt wurde. Irina K. soll ihren erst kurz zuvor geborenen zweiten Sohn an einem Dienstagmorgen in der heimischen Badewanne ertränkt haben. Nachdem sie am ersten Prozesstag geschwiegen hat, legt sie gestern Nachmittag überraschend ein Geständnis ab. Nur zum Motiv sagt sie nichts.Eine ganz normale Familie

Zuvor sind ihre Verwandten als Zeugen geladen: der Ehemann, die Schwiegereltern, die Schwägerin. Besonders mit der Schwester ihres Mannes hatte die aus Kasachstan vor acht Jahren übergesiedelte Angeklagte ein inniges Verhältnis. "Wie Schwe stern", sagen beide.Aber auch die 31-jährige Schwägerin kann sich nicht erklären, warum Irina K. den kleinen Christian, ein Wunschkind, getötet haben soll. Stress mit dem Ehemann vielleicht, der im Suff angeblich die Frau auch schon mal geschlagen haben soll? "Davon weiß ich nichts", sagt die Schwägerin. "Für mich waren die beiden eine ganz normale Familie." Keine Anhaltspunkte dafür, dass etwas nicht in Ordnung gewesen sein könnte. Nur am Abend vor der Tat, als die beiden Frauen miteinander telefonierten, habe Irina traurig geklungen und gesagt: "Ich habe genug davon." Wovon, sagte sie nicht. Womöglich sollte der kleine Christian schon an diesem Abend sterben. Darauf deuten jedenfalls Aussagen seines älteren Bruders hin, die der Neunjährige gegenüber der Schwägerin machte - nach der Tat. Demnach war er an diesem Abend ins Elternschlafzimmer gegangen, weil er Christian weinen hörte. Zauberwasser von der Wunderheilerin

Dort habe er gesehen, dass die Mutter dem viereinhalb Monate alten Jungen einen Waschlappen in den Mund gesteckt und ein Kissen aufs Gesicht gelegt habe. Es wäre besser, wenn Christian tot wäre, soll sie gesagt haben. Der ältere Bruder zog nach Angaben der Schwägerin dem Kleinen das Kissen vom Gesicht und den Lappen aus dem Mund. "Wenn du das erzählst, bringe ich dich um", soll die Mutter noch gedroht haben. Irina K. verzieht im Gerichtssaal keine Miene, als die Schwägerin das erzählt. Keiner der Verwandten weist der Angeklagten Schuld zu an diesem Tag, im Gegenteil. "Sie hat alles für das Kind getan", sagt die 51-jährige Schwiegermutter, "sie war eine gute Mutter", sagt auch der 29 Jahre alte Ehemann, der anfängt zu weinen, als der Vorsitzende Richter Armin Hardt ihn das erste Mal nach Christian fragt. Sie alle suchen verzweifelt nach einer Erklärung, warum Irina K. ihrem kleinen Sohn so etwas angetan haben könnte. "Wir denken, dass diese Wunderheilerin schuldig ist", sagt der Ehemann. "Irina hat an das geglaubt, was die Frau gesagt hat." Von "schlechter Energie" und "schwarzer Magie" soll die selbst ernannte Heilerin schwadroniert haben, die Irina eines Tages nach Angaben der Familie aufsuchte, weil der kleine Christian ständig unruhig war und Magenbeschwerden hatte. Die Heilerin wusste angeblich Rat, verzauberte ein Discount-Wässerchen und einen Blumentopf fürs Schlafzimmer. "Ich glaube, dass alles ist passiert, weil sie diese Heilerin besucht hat", sagt die Schwägerin."Ich habe einen Wunsch", bittet am Schluss mit tränenerstickter Stimme Irinas Schwiegervater das fünfköpfige Gericht. "Bitte verhängen Sie nicht eine zu große Strafe. Der neunjährige Sohn darf das Wort Mama nicht vergessen."

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