Beten im Gewerbegebiet

TRIER. Die katholischen Fundamentalisten sind in der ältesten Diözese Deutschlands auf dem Vormarsch. Nachdem seit kurzem in Trier wieder Messen nach dem klassischen römischen Ritus gefeiert werden, hält demnächst die Priesterbruderschaft St. Pius X. Einzug. Deren Gründer ist der 1988 exkommunizierte französische Erzbischof Marcel Lefebvre.

In einem Hinterhofgebäude in der Ruwerer Straße am Trierer Stadtausgang legen Handwerker letzte Hand an. Ab heute hat die Etage über dem Fliesengeschäft einen neuen Mieter. Bis dahin müssen die 200 Quadratmeter großen Räumlichkeiten picobello in Ordnung sein. Der Vermieter gibt sich wortkarg. Der unangemeldete Besuch scheint ihm zu missfallen. "Da müssen Sie in Saarbrücken anrufen", antwortet er auf Fragen nach den künftigen Bewohnern. Die neuen Mieter sind in der Tat ungewöhnlich für ein reines Gewerbegebiet - vorne an der Straße ein Möbelmarkt, dahinter ein Karosseriebauer, ein paar Meter weiter das Fliesengeschäft. Darüber, im ersten Stock, wird künftig gebetet. Zwischen diversen Handwerksbetrieben und Dienstleistungsfirmen lässt sich die umstrittene Priesterbruderschaft St. Pius X. nieder. Am 19. Dezember, dem vierten Adventssonntag, soll um 9.30 Uhr dort zum ersten Mal ein Hochamt gefeiert werden. Aus der einstigen Firmenetage wird ab diesem Tag eine Kapelle - benannt nach dem in Trier begrabenen Apostel Matthias und eingeweiht von einem Pater Niklaus Pfluger. Pfluger ist Oberer des deutschen Distrikts der Priesterbruderschaft, die 1970 von dem konservativen katholischen Geistlichen Marcel Lefebvre gegründet wurde. Dem 1991 verstorbenen Franzosen waren die innerkirchlichen Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils ein Graus. Lefebvres Auseinandersetzung mit dem Vatikan führte 1988 zum Bruch, als er vier seiner Anhänger ohne päpstliches Mandat zu Bischöfen weihte und sich damit quasi selbst aus der römisch-katholischen Kirche ausschloss. 13 Jahre nach Lefebvres Tod ist die traditionalistische Priesterbruderschaft nach eigenen Angaben allein in Deutschland in 40 Städten vertreten, halten ihre Mitglieder Gottesdienste ab, veranstalten Prozessionen und Einkehrtage oder betreiben - wie in Saarbrücken - sogar Schulen. Dass sich die umstrittene Priestervereinigung nun - nach Saarbrücken und Koblenz - mit Trier einen dritten Standort in Deutschlands ältester Diözese zulegt, kann den Bistumsverantwortlichen nicht gefallen. Dagegen unternehmen kann Bischof Reinhard Marx aber nichts. "Uns sind die Hände gebunden", sagt Bistumssprecher Stephan Kronenburg. "Die Priesterbruderschaft ist eine schismatische Gemeinschaft, deren Mitglieder alle Ämter und Rechte innerhalb der Kirche verloren haben." So weit die offizielle Linie. An der Basis ist die Ausgrenzung der Priesterbruderschaft offenbar häufig kein Thema. "Wir haben in Saarbrücken guten Kontakt zu unseren römisch-katholischen Mitbrüdern", behauptet Piusbruder Christian Schneider. Für Trier hat der Pater hoch fliegende Pläne: Neben mehreren Messen wollen die katholischen Fundamentalisten mittelfristig auch Senioren, Kranke und Kinder betreuen.

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