"Bevor das Licht ausgeht"

Mildes Urteil für einen Bankräuber: Drei Jahre und zehn Monate muss ein 48-Jähriger aus der Verbandsgemeinde Neumagen-Dhron ins Gefängnis, weil er eine Bank in Schöndorf (Kreis Trier-Saarburg) überfallen hat.

Trier. Da sitzt kein kaltblütiger Bankräuber auf der Anklagebank. Keiner, bei dessen Lebenslauf schon früh klar war, dass er irgendwann mal vor dem Strafgericht landen würde. Bis zum 30. November vergangenen Jahres ist der Winzersohn Hans-Jürgen K. unbescholten. Durch den frühen Unfalltod des Vaters ist er gezwungen, bereits als Kind im elterlichen Weingut zu helfen. Er macht eine Winzerlehre, übernimmt mit 27 Jahren den Betrieb. 1995 lernt er dann seine zweite Frau kennen, eine Niederländerin mit einer kleinen Tochter. Schwere persönliche Schicksalsschläge

Um sich mögliche Konkurrenz vom Hals zu halten, kauft er eine ehemalige Kneipe in seinem Heimatdorf, baut das Haus zu Eigentumswohnungen um. Das Geld dafür leiht er sich - vielleicht der Anfang vom finanziellen Ruin des Winzers. Die Wohnungen lassen sich nicht verkaufen, die Schulden wachsen ihm über den Kopf, die Gaststätte wird zwangsversteigert. Die Schicksalsschläge, die K. dann einstecken muss, sind mehr, als ein Mensch normalerweise verkraften kann. K.´s Frau erkrankt an Krebs, unheilbar. Er versucht alles, um ihr zu helfen, er kauft teure Therapien - vom Geld, das er gar nicht hat. Rechnungen für Ärzte und Krankenhaus müssen bezahlt werden, eine Krankenversicherung kann er sich nicht mehr leisten. Dann erkrankt auch noch seine Mutter an Krebs. Zum ersten Mal denkt K. an einen Banküberfall. Er klaut auf einem Parkplatz Nummernschilder, die er an seinen alten Corsa kleben will, wenn er vor eine Bank fährt. Doch ihm fehlt der Mut, die Nummernschilder landen in seiner Scheune. Zusammen mit seinem Bruder pflegt er die Mutter bis zu deren Tod, managt nebenbei den Betrieb, ist seiner Stieftochter ein Vater und betreut seine todkranke Frau. Ein halbes Jahr nach seiner Mutter stirbt seine Frau im Oktober 2007 "in meinen Armen". Das Geld für die Beerdigung, sagt er, habe er zusammenkratzen müssen, mit der Miete habe er schon lange in der Kreide gestanden, der Strom sollte abgestellt werden. "Bevor das Licht abgedreht wird, musste etwas passieren." K. fasst einen fatalen Entschluss, packt die vor fast einem Jahr geklauten Nummernschilder ein, nimmt eine alte Schreckschusspistole und fährt nach einer durchwachten Nacht am 30. November ziellos durch die Gegend und landet schließlich zufällig in Schöndorf, einem 800-Seelendorf in der Verbandsgemeinde Ruwer. Drei Stunden drückt er sich vor der dortigen Volksbank herum, hat nicht den Mut reinzugehen. Er habe Angst vor sich selber gehabt, sagt er. Kurz vor Mittag dann geht er rein, zwingt eine Kundin mit der Pistole auf die Knie - der Mann habe fast mehr gezittert als sie, sagt die 43-Jährige vor Gericht aus. Mit der Beute zahlt er erstmal Strom und Miete

Die Beute, 8620 Euro, stopft er in die Taschen seines Parkas, flüchtet genauso ziellos wie er gekommen ist, wirft Nummernschilder und Pistole weg. In Trier bezahlt er auf einer Bank dann erstmal seine Stromrechung und Miete, begleicht die eine oder andere Rechnung, kauft Lebensmittel und spielt Lotto. 1000 Euro bleiben von der Beute noch übrig. Zwei Wochen später wird er von der Polizei geschnappt und gesteht die Tat. Er habe bereits Strafe in seinem Leben gehabt, fleht er um ein mildes Urteil. Keine leichte Entscheidung für die erste große Strafkammer. Auch Staatsanwalt Wolfgang Spies tut sich sichtlich schwer, eine gerechte Strafe zu fordern. Mit vier Jahren Haft bleibt Spies deutlich unter dem üblichen Strafmaß für ähnliche Taten. Das Gericht bleibt sogar noch unter der Forderung von Spies und folgt Anwalt Marco Liell, der in dem Überfall eine minderschwere Tat sieht. Der Überfall sei keine Bagatelle gewesen, sagt Richterin Petra Schmitz in der Urteilsbegründung, aber K. habe sich in einer traurigen persönlichen Situation befunden und vor Gericht "ehrliche Reue" gezeigt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort