Böhr: "Union legt es nicht auf Scheitern an"

TRIER. "Wenn sich die Bundesregierung von unsinnigen Forderungen verabschiedet, gibt es Einigungschancen", kommentiert CDU-Bundesvize Christoph Böhr den Streit um die rot-grünen Reformvorhaben. Einen totalen Ausstieg aus der Eigenheimzulage und der Wohnungsbauprämie von 2004 an werde die Union aber nicht mitmachen, sagt er im Interview.

Herr Böhr, welchen Handlungsbedarf und welche Einigungs-chancen sehen Sie im Häuslebauer-Land Rheinland-Pfalz? Böhr: Über Änderungen, die zu einer größeren Treffsicherheit und zu weniger Mitnahme-Effekten führen, muss in der Tat nachgedacht werden. Wenn aber Finanzminister Hans Eichel denkt, er könne über den Wegfall der Zulage einen sofortigen Einnahme-Effekt verbuchen, irrt er gewaltig. Denn jeder, der irgendwann ein eigenes Haus wollte, hat längst die Baugenehmigung in der Tasche. Deshalb werden die Ausgaben für diese Zulage in den nächsten Jahren erheblich steigen. Lässt sich diese Subvention mittelfristig abbauen? Böhr: Dies halte ich auch mit Blick auf die private Altersvorsorge für äußerst problematisch. Ich bin der Meinung, dass die Ausgaben für die eigenen vier Wände als Altersvorsorge steuerlich begünstigt werden müssen. Dies dient der Vermögensbildung wie dem Mittelstand, der wirtschaftlich eine Perspektive braucht. Leider wird in Deutschland immer übersehen: Wenn man an einem Rädchen dreht, kommt der ganze Motor ins Stottern. Deshalb braucht das Land auch endlich ein schlüssiges Konzept aus einem Guss, das mit der Flickschusterei Schluss macht. Die Union wird es im Herbst vorlegen. Sie will sich an den Petersberger Beschlüssen orientieren. Die sahen auch vor, eine Steuerreform mit Subventionsabbau zu verbinden. Böhr: Oberstes Ziel muss sein: Jeder muss netto mehr in der Tasche haben. Eine neue Abzock- Runde bringt uns nicht weiter. Wenn aber jeder Steuerzahler am Ende durch eine Reform deutlich mehr in der Tasche hat, kann man einzelne Steuertatbestände auch abschaffen. Aber die Union macht es nicht mit, dass der Staat in die rechte Hosentasche zehn Euro steckt und aus der linken Tasche wieder 20 Euro rausholt. Zurück zur Eigenheimzulage: Gefördert wird vor allem der Neubau. Dadurch vergammeln Ortskerne, während grüne Wiesen verbaut werden. Böhr: Diese Entwicklung ist in der Tat in Eifel und Hunsrück teilweise zu beobachten. Deshalb ist auch über eine Umgestaltung, die auch mehr Modernisierung fördert, familienfreundlicher ist und die Treffsicherheit erhöht, zu reden. Das ist ein klassisches Thema für den Vermittlungsausschuss. Nach den Vorlagen der rot-grünen Bundesregierung ist die Union spätestens nach der Bayern-Wahl unter Zugzwang, Alternativen vorzulegen. Wird man sich mit der Regierung zusammenraufen? Böhr: Die Union ist dazu bereit, wird sich aber nicht für falsche Entscheidungen in Mithaftung nehmen lassen. Die Ausweitung der Gewerbesteuer auf Freiberufler und deren Verrechnungsmöglichkeiten wird nach vorsichtigen Schätzungen einen Mehrbedarf von 10 000 Beamten bei den Finanzämtern zur Folge haben. Das wäre bürokratischer Wahnsinn. Da ist der Vorschlag der Union doch einfacher und effektiver, für Kommunen einen höheren Zuschlag bei der Lohn- und Einkommenssteuer vorzusehen. Es lässt sich auch darüber reden, ob man nicht den zusätzlichen Prozentanteil für die Kommunen festlegt. Können sich Regierung und Union nicht einigen, wäre das auch volkswirtschaftlich verheerend. Unternehmen stellen sich darauf ein, dass die Steuerentlastung vorgezogen wird. Scheitert dies, wäre die Depression unendlich groß. Es gibt Verständigungschancen, wenn sich die Bundesregierung von ihren Maximalforderungen verabschiedet und sich bewegt - bei der Eigenheimförderung, der Entfernungspauschale oder der Gemeindefinanzreform. Unterstützen Sie Forderungen nach einem Länder-Gipfel? Oder sind Sie eher dafür, dass der Kanzler mit CDU-Chefin Angela Merkel verhandelt? Böhr: Es ist beides notwendig. Da die Bundesregierung über die Verschuldungsquote den Solidarpakt aufgekündigt hat und sich kein Land dies leisten kann, ist der Gipfel mit den Ländern unbedingt notwendig. Die Belastungen für Bund, Länder und Kommunen müssen verbindlich geregelt werden. Aber natürlich ist auch die Verständigung mit der Bundestagsfraktion notwendig. Die Union wird es dabei nicht auf ein Scheitern der Gespräche anlegen. Wie hoch schätzen Sie den Einigungswillen ein? Böhr: Schwer zu sagen. Aber die Bundesregierung steht unter Erfolgsdruck. Denn auch durch die SPD geht ein Riss. Außerdem muss sie sich mit der Mehrheit im Bundesrat einigen. Ich denke, sie weiß um diese Zwänge. Das Interview führte unsere Mitarbeiterin Ursula Samary .

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