Chaos im Cockpit

LUXEMBURG. Der Fokker-Absturz vom 6. November 2002 sorgt im Großherzogtum erneut für Aufsehen: Immer mehr scheint sich zu bestätigen, dass das Unglück mit 20 Toten von den Piloten mitverschuldet wurde.

Gut ein Jahr nach dem Fokker-Absturz in der Nähe des luxemburgischen Niederanven und kurz, nachdem eine Gedenkstätte für die 20 Opfer eingeweiht worden ist, sorgt das Unglück erneut für eine hoch emotional geführte Debatte im Großherzogtum. Die luxemburgische Journalistenvereinigung sah sich am Freitagnachmittag sogar genötigt, Redakteure des Senders RTL in Schutz zu nehmen und energisch für die Pressefreiheit zu plädieren. Denn zuvor hatte die Pilotenvereinigung des Landes den RTL-Journalisten einen "Verstoß gegen die Berufsethik" vorgeworfen. Dabei hatten die Journalisten nur getan, was nach Auffassung vieler Angehöriger der Opfer und auch vieler Luxemburger längst überfällig ist: Sie hatten sich auf die Suche nach der Unglücks-Ursache gemacht, die auch über ein Jahr nach dem Unfall nicht klar ist. Dabei war den RTL-Journalisten der vorläufige Abschlussbericht der Untersuchungskommission zugespielt worden, aus dem sie gestern Auszüge veröffentlichten. Offiziell soll der Bericht am 15. Dezember präsentiert werden. Dass die Veröffentlichung für Aussehen im Großherzogtum sorgt, verwundert nicht, denn der Inhalt ist brisant: für die Piloten der Unglücksmaschine und auch für die Luxair. Menschliches Versagen soll Hauptursache des Absturzes gewesen sein. Der 27-jährige Pilot - einer der beiden Überlebenden des Unglücks - sowie der ums Leben gekommene Co-Pilot sollen Fehler bei der Lande-Vorbereitung gemacht haben. Die festgelegten Prozeduren seien nicht oder zu spät von den beiden in Angriff genommen worden. Die Rede ist von "Chaos im Cockpit", das zu "unkoordinierten Aktionen" der Piloten geführt habe. Die Kommunikation habe nicht gestimmt. Viel zu spät im Landeanflug

Deshalb sei es zu einer Situation gekommen, in der die Piloten improvisiert hätten. Und dabei sei eine Sicherheitsvorkehrung für die Landung übergangen worden, die für den richtigen Anstellwinkel der Propeller sorgt. Dies habe dann zum Absturz geführt. Schon ein offizieller Zwischenbericht im Februar hatte davon gesprochen, dass der Landeanflug zu spät eingeleitet worden sei. Doch nicht nur den beiden jungen Piloten - der Überlebende kann sich nach eigener Aussage nicht an die Vorfälle erinnern - wird die Schuld zugewiesen. Auch das Luxair-Management soll verantwortlich sein: Die fehlende Abstimmung der Piloten sei darauf zurückzuführen, dass sie "unterschiedliche Trainings-Zentren" durchlaufen und "nicht-standardisierte Programme" absolviert hätten. Zudem soll nach Darstellung von RTL die Luxair eine vom Fokker-Hersteller empfohlene Änderung an den Sicherheitsvorkehrungen der Triebwerke versäumt haben. Die Luxair lehnte gestern jeden Kommentar zu den Berichten ab. Die Untersuchung sei noch nicht abgeschlossen. Dem schloss sich Transportminister Henri Grethen am Abend an, nachdem er sich durch die Veröffentlichung noch zu einer Pressekonferenz genötigt sah. Grethen bestätigte lediglich, dass es einen 200-seitigen Entwurf des Abschlussberichts gebe. Zum Inhalt wollte er sich allerdings nicht äußern.

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