Damit Eltern Eltern bleiben

TRIER. Kinder brauchen die Liebe beider Elternteile. Wut, Verletzungen und der Schmerz über einen zerstörten Lebensentwurf führen dazu, dass viele ehemalige Paare das vergessen. Um den Kindern zu helfen, gibt es den "Betreuten Umgang" des Kinderschutzbundes.

Der Vater hatte Angst, als er hier reinkam", sagt Ursula Günther. Er sei ganz still gewesen, ganz zurückhaltend. Seit mehr als einem Jahr hatte er seine Tochter nicht mehr gesehen. Ihre Mutter ist schon lange nicht mehr seine Partnerin. Andere Väter, die die Tür zu den Räumen des Kinderschutzbundes durchschreiten, haben ihre Kinder noch nie zuvor gesehen."Kinder brauchen Vater und Mutter"

Ursula Günther ist Diplom-Psychologin und leitet den "Betreuten Umgang" des Trierer Kinderschutzbundes. "Kinder brauchen beide, Vater und Mutter", sagt sie. Sie müssten die Chance haben, beide zu sehen und beide unbefangen lieben zu können.

Kinder haben sogar ein gesetzlich festgehaltenes Recht darauf, auch mit dem Elternteil Kontakt zu haben, bei dem sie nicht ständig leben. Ein Recht, das den Kindern, die zum "Betreuten Umgang" kommen, bislang verwehrt wurde. Denn für viele ehemalige Partner ist es unvorstellbar, auch nach der Trennung noch als Eltern zu kooperieren.

"Die Eltern werden vom Jugendamt oder vom Familienrichter zu uns geschickt", sagt Ursula Günther. Da das Sorgerecht meist bei der Mutter liegt, sind es die Väter, die in den Räumen des Kinderschutzbunds auf allen Vieren versuchen, ihren Kindern wieder näher zu kommen. Dabei hilft ihnen eine gut ausgebildete ehrenamtliche Mitarbeiterin ebenso wie ein Kaufladen, eine Handpuppe und viele lustige Spiele.

Für die Kleinen ist es eine neue Erfahrung, dass sich der Vater zwei Stunden Zeit nimmt, nur um mit ihnen zu spielen. Ganz ohne Streit - und ohne dass schlecht über die Mutter gesprochen wird. Denn das ist tabu. "Die Kinder genießen das", sagt die Psychologin. Der Vater, der seine Tochter schon so lange nicht gesehen hatte, habe hilflos gewirkt, als er dann plötzlich mit dem Mädchen am Tisch gesessen habe, sagt Günther. Viele Väter wüssten gar nicht so recht, wie man mit einem Kind spielt. Es ist dann die Aufgabe der Betreuerin, die die ganze Zeit über mit im Raum ist, über diese Hilflosigkeit hinwegzuhelfen.

Oft ist es ein Spiel, zunächst zu dritt, das die Brücke baut. Anfangs, während er sich auf seine Karten konzentrierte, habe das Mädchen immer mal wieder heimlich und verschmitzt einen Blick auf den Mann geworfen, der ihr Papa sein soll, sagt Günther. Und dann hatte sie zwei gleiche Karten, juchuu, auf den Gong gehauen, alle lachen. Irgendwann konnte sich die Betreuerin immer weiter zurückziehen und die beiden alleine spielen lassen.

Grund für die Situation der Kinder sind oft Trennungen, die alles andere als glatt laufen. Kleinkriege, die über Kinderköpfe hinweg ausgetragen werden. Schmerz, Wut, Schuldgefühle und Angst der Partner sitzen tief, die finanziellen Dinge sind oft noch nicht geregelt. Jedes Zusammentreffen der Eltern bedeutet Streit. Absprachen darüber, wer das Kind wann sehen kann, gibt es nicht - oder sie werden nicht eingehalten. Für die Kinder ist das eine Tortur.

Es sind die besonders schwierigen Fälle, die den "Betreuten Umgang" des Kinderschutzbundes in Anspruch nehmen. Bei einem Viertel von ihnen ist auch Gewalt im Spiel: Frauen, die von ihrem Mann geschlagen wurden. Dann sitzt der Schmerz so tief, dass jeglicher Kontakt zum ehemaligen Partner unmöglich ist. Und dennoch vermisst das Kind seinen Vater. Auch in diesen Fällen ist der Kinderschutzbund da. Es werden "Pufferzeiten" eingebaut: Die Mutter bringt das Kind eine ganze Weile, bevor der Vater kommt, und holt es erst ab, nachdem er wieder weg ist. In der Zwischenzeit kümmert sich die Betreuerin um das Kind.

Das Ziel: Geteilte Verantwortung

Immer häufiger kommt es auch vor, dass sich Väter melden, die ihr Kind noch nie gesehen haben - zum Beispiel, weil die Beziehung schon während der Schwangerschaft auseinander gegangen ist. Auch daraus können schwierige Situationen entstehen. "Der ist einfach abgehauen, hat sich nie gekümmert, und jetzt soll ich noch das Busgeld bezahlen, um ihm das Kind zu bringen" - solche Gedanken beschäftigen einige Mütter.

So schwierig die Ausgangslage auch sein mag: Das Ziel des betreuten Umgangs ist es, dass die Eltern es eines Tages selbst schaffen, sich die Verantwortung für ihr Kind zu teilen, und dass das Kind beide Elternteile in Ruhe sehen kann. Oft helfe es schon, wenn die Mutter merke, dass der Vater die Termine zuverlässig wahrnimmt, sagt Günther. Dass er pünktlich ist - und sie nach den zwei Stunden ein strahlendes Kind wieder mit nach Hause nimmt.

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