Damit die Emotion überlebt

TRIER. Mit einem neuen, am Lebensalltag orientierten Partner-Training hat das Demenz-Zentrum sein Angebot erweitert. Es geht darum, Demenz-Erkrankten und ihrer wichtigsten Bezugsperson Hilfen für das tägliche Leben an die Hand zu geben.

Herr L. ist 60 Jahre alt. Man sieht ihm nicht auf Anhieb an, dass er krank ist. Er wirkt sportlich, macht gerne einen Scherz und wirkt charmant. Aber manchmal, wenn man ihn bittet, den linken Arm auszustrecken, ist er überfordert. Er hat dann vergessen, wo links und rechts ist. Und wie man isst oder einen Mantel zuknöpft, weiß er auch nicht immer. Wenn von Demenzkranken die Rede ist, denkt man meistens an sehr alte, ans Haus gefesselte, gesundheitlich hinfällige Patienten. Ein Irrtum. "Gerade Demenzkranke sind oft sehr lange körperlich fit", sagt Professor Bernd Krönig, Vorsitzender des Vereins Demenz-Zentrum Trier. Zudem beweist die Statistik, dass immer häufiger auch Menschen ab Mitte 50 von der Krankheit betroffen sind. Ein Alter, in dem man noch mitten im Leben steht. Als Partner in einer Beziehung, als aktive Großeltern, als engagiertes Vereinsmitglied. Wenn sich dann die Demenz anschleicht, sind die Anforderungen an den Erkrankten und sein Umfeld völlig anders als bei hochbetagten Senioren. Dieser Situation trägt das jüngste Projekt des Trierer Demenz-Zentrums Rechnung. Es richtet sich an Paare, bei denen ein Partner in einem relativ frühen Stadium an Demenz erkrankt ist. Oft sind es Ehepaare, die das Angebot wahrnehmen, möglich sind aber auch Geschwister oder Eltern/Kinder, die einen engen Lebensbezug haben. Es geht darum, in Gesprächen, Übungen, aber auch mit körperlicher Betätigung den Alltag mit der Demenz besser bewältigen zu lernen. "Selbst Ehepaare reden oft einfach nicht über das Thema", berichtet Projektleiter Stefan Kugel. Der demente Partner versuche oft, die Erkrankung und ihr Ausmaß zu kaschieren - dem gesunden Partner falle es gerade deshalb in der Frühphase oft schwer, die scheinbar unbegreiflichen Eigenwilligkeiten und Ausfallerscheinungen zu akzeptieren. Oft kommt es dabei zu einer gefährlichen Mischung aus Depression und Aggressivität, verbunden mit der Tendenz, sich zu verkriechen. Eine Entwicklung, die man nicht kampflos hinnehmen muss. An der Universität Mainz hat man Programme entwickelt, die nun auch das Trierer Demenz-Zentrum anbietet. "Studien beweisen, dass man auf diese Weise Niedergeschlagenheit, Aggressionen und Rückzugstendenzen deutlich abmindern kann", sagt Professor Krönig. Das Trierer Paar-Programm kombiniert über einen Zeitraum von einem halben Jahr Gruppen-Gespräche mit praktischen Partner-Übungen. Deshalb hat man sich mit dem Herzsport-Verein zusammengetan, der im gleichen Gebäude des Elisabeth-Krankenhauses residiert und über geeignete Räumlichkeiten verfügt. Ganz wichtig: einfache körperliche Übungen

Zehn Teilnehmer kommen dort alle 14 Tage zusammen, man bespricht in der Gruppe die Alltags-Probleme, kann seine Sorgen und Nöte formulieren - und bemerkt, dass man nicht alleine ist. "Wir arbeiten lösungsorientiert", versichert Uschi Wihr vom Demenz-Zentrum. Will heißen: Es geht weniger um medizinische Entwicklungen oder theoretische Grundsatzerwägungen als um die Frage, wie man das Zubinden der Schuhe, die Aufstellung eines Wochenplans oder die Mithilfe im Haushalt am besten organisiert. Ebenfalls ganz wichtig: Einfache körperliche Übungen mit Luftballons, Kegeln oder Seilen. "Psychomotorische Aktivierung" nennen das die Experten. Ziel ist die Verbesserung der Grob- und Feinmotorik. Aber Körper und Seele gehen Hand in Hand: "Manche müssen wieder lernen, sich einfach nur zu berühren", erzählt Stefan Kugel. Dann falle es auch leichter, "dem Partner auch mal positive Rückmeldungen zu geben". Denn trotz der Krankheit: Das Leben soll, auch mit Demenz, so lebenswert bleiben wie möglich. Und die Emotion, sagt Professor Krönig, "die Emotion stirbt bei Demenzkranken zuletzt". Das Demenz-Zentrum will im neuen Jahr eine zweite Gruppe mit dem neuen Partner-Programm einrichten. Es handelt sich um zehn aufeinander aufbauende Treffen im 14-Tage-Rhythmus. Sie sind für die Teilnehmer kostenlos. Infos unter 0651/4604747.

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