"Das Schlimmste, das passieren kann"

TRIER. Eine zur Hälfte ausgetragene Schwangerschaft und dann die grausameDiagnose: Das Kind ist schwerstbehindert. Schwangerschaftsabbruch oder nicht? Der Dokumentarfilm "Mein kleines Kind", der auf Initiative der Katholischen Familienbildungsstätte in Trier gezeigt wurde, gehtdiesem heiklen Thema nach.

"Es ist das Schlimmste, das mir passieren kann", spricht die weinende Frau in Großaufnahme in die Kamera. Ihrer Verzweiflung lässt sie freien Lauf - "Ich fürchte mich so vor allem, was kommt." Die Frau heißt Katja Baumgarten, ist Jahrgang 1959, Mutter von drei kleinen Kindern, freiberufliche Hebamme und ausgebildete Filmemacherin. Eine Ultraschalluntersuchung in der 21. Schwangerschaftswoche stellt die Alleinerziehende vor die niederschmetternde Diagnose: "Komplexes Fehlbildungssyndrom, Verdacht auf Chromosomen-Anomalie. Die Prognose ist extrem schlecht." Baumgarten sieht sich mit ihrem Schicksal und dem ihres ungeborenen Kindes völlig hilflos und allein gelassen. "Sie müssen entscheiden", sagt der Pränatalmediziner zu ihr. "Die sofortige Beendigung der Schwangerschaft ist in einer solchen Situation der übliche Weg." Die Hebamme beschließt in diesem Moment, ihre Lebenskrise dokumentarisch festzuhalten - der Film tourt seit seiner Vorstellung auf der Berlinale im Jahr 2002 durch die Republik. Herausgekommen sind aufwühlende Bilder, die in 88 Minuten das Wohl und Wehe der Pränataldiagnostik und das Problem der Spätabtreibung auf höchst intime Weise verdeutlichen. In langen Einstellungen redet sie sich ihre innere Zerrissenheit und Ängste von der Seele. "Ich fürchte mich vor dem Bild, wenn es geboren ist", sagt Baumgarten. Letztlich entscheidet sie sich dafür, ihr Kind auszutragen. Und es zu Hause im Beisein ihrer Kinder und befreundeter Ärzte zu gebären, um ihm "chirurgische Übungen an einem aussichtslosen Fall" im Krankenhaus zu ersparen. Ihr kleiner Sohn, liebevoll in ihren Armen geborgen, stirbt nach wenigen Stunden. "Ich wollte mit dem Film meine eigene Lebenserfahrung weitergeben", sagt Baumgarten bei der sich an den Film anschließenden Diskussion vor rund 60 Teilnehmern, die von Michael Weyand vom Referat Medienpädagogik des Bistums Trier moderiert wird. Barbara Noldin-Bretz warb für das Verständnis von Krankenhausärzten, die auf Zuweisung der niedergelassenen Ärzte handelten. "Es ist schwierig für uns, die eigene persönliche Einstellung zurück zu halten", meinte die Gynäkologin. "Wir können nur beraten und begleiten." Doch gerade daran hapert es offenbar, wie die Diskussionsbeiträge in Trier verdeutlichten. Es fehle ein Netzwerk aller Beteiligter, um Schwangeren in dieser Ausnahmesituation zur Seite zu stehen, sagte Astrid Schleich vom Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF). Auch die Betreuung von Schwerstbehinderten nach der Geburt sei nicht optimal, bemerkten betroffene Eltern. Eine grundsätzliche Aufklärung der Patientin über die Konsequenzen der vorgeburtlichen Untersuchungen forderte ein Arzt. "Doch viele Frauen wollen nicht wissen, welche Folge die Pränataldiagnostik haben kann", warnte Schleich. "Mit der Pränataldiagnostik sieht man manches", meinte auch die Hebamme Elisabeth Schmidt-Bäumler, "doch die Auswirkungen am Kind sind individuell." Grundsätzlich sei es eine Überforderung, wenn Eltern über das Leben des Kindes entscheiden müssten, wurde die Schattenseite der Pränataldiagnostik aufgezeigt. "Damit werden kranke und behinderte Kinder selektiert, für die sich niemand verantwortlich fühlt", sagte Michael Frisch von der "Aktion Lebensrecht für Alle" (Alfa).

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