Das Schweigen der Kirchenmänner

TRIER. Im Trierer Bistum hängt der Haussegen schief. Weil Generalvikar Werner Rössel einen 41-jährigen Juristen gefeuert hat, gehen jetzt die Mitarbeitervertretungen auf die Barrikaden. Auch Bischof Reinhard Marx steht in der Schusslinie.

Seit 1. September letzten Jahres fühlen sich die rund 380 Mitarbeitervertretungen der Katholischen Kirche im Bistum Trier ein wenig mehr ernst genommen. An diesem Tag eröffnete in der Trierer Friedrich-Wilhelm-Straße die Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen (Diag) ihre Geschäftsstelle. Die Diag ist eine Art Dachorganisation aller kirchlichen Mitarbeitervertretungen (Mav). In der Diag A sind die Arbeitnehmervertreter von katholischen Kindergärten und Schulen im Bistum zusammengefasst (192 Mav repräsentieren 16 000 Mitarbeiter), in der Diag B die Vertreter von Krankenhäusern, Altenheimen und Caritasverbänden (190 Mav, 38 000 Mitarbeiter). Hatte ein Mitarbeiter in der Vergangenheit Probleme mit seinem katholischen Arbeitgeber, musste ein niedergelassener Rechtsanwalt mit dem Fall beauftragt werden. Bis zum 1. September 2002. Seit diesem Tag haben die beiden Diözesanen Arbeitsgemeinschaften nicht nur eine gemeinsame Geschäftsstelle, sondern auch einen promovierten Juristen als Geschäftsführer, der sich hauptamtlich mit den kniffligen Kirchenrechtsfällen beschäftigt. "Wenn die Nummer läuft, macht das Schule"

Der 41-jährige Trierer machte den Job nach Angaben seiner beiden Chefs, den Diag-Vorsitzenden Erich F. Heß und Ulrich Hendricks, bislang so gut, dass sie ihm kürzlich, kurz vor Ablauf der Probezeit, "nur allerbeste Noten" in sein Zwischenzeugnis schrieben. Die Weiterbeschäftigung des Juristen durch das Bistum schien angesichts dessen reine Formsache zu sein. Um so größer war das Erstaunen, als Generalvikar Werner Rössel Ende Februar dem Geschäftsführer kurz und schmerzlos kündigte - ohne Angabe von Gründen. Alle Versuche der einflussreichen Diag-Vorsitzenden, den seit der Doerfert-Affäre angeschlagenen Verwaltungschef des Bistums umzustimmen, schlugen fehl. "Rössel hat sich keinen Millimeter bewegt", sagt Diag A-Chef Erich F. Heß. Schließlich wandten sich die obersten Mitarbeitervertreter in einer Petition an Bischof Reinhard Marx und baten um einen Gesprächstermin. Vergeblich. "Bis heute haben wir von Marx keine Antwort bekommen", kritisiert Heß und glaubt den Grund für das Schweigen zu kennen: "Marx denkt, das gehört zum operativen Geschäft und ist damit Sache von Rössel. Aber so einfach kann sich der Bischof als oberster Dienstherr nicht aus der Verantwortung stehlen." Auch Diag B-Chef Ulrich Hendricks hat sich über das Marx'sche Schweigen Gedanken gemacht. "Der Bischof hat die Brisanz der Angelegenheit schon erkannt. Aber er wird seinem Generalvikar gesagt haben: Entweder Du löst das Problem oder ich löse es." Die beiden obersten Mitarbeitervertreter der rund 54 000 Beschäftigten aller katholischen Einrichtungen im Bistum sind sich jedenfalls einig, den Rausschmiss ihres Geschäftsführers nicht klaglos zu akzeptieren. "Die Kündigung erschüttert uns in den Grundfesten", sagt Ulrich Hendricks. Noch deutlicher drückt es sein Kollege Erich Heß aus: "Die Bistumsleitung demontiert die Unabhängigkeit der Arbeit von Betriebsvertretungen." Der Rauswurf des Juristen komme einer Aufhebung der Gewaltenteilung im staatlichen Bereich gleich. "Ist die Katholische Soziallehre nur noch ein Schlagwort?", meint Heß, ohne den Adressaten der Frage - Bischof Marx - beim Namen zu nennen. Heute findet in Trier ein Krisengipfel beider Vorstände statt, in der über das weitere Vorgehen beraten werden soll. Eine Woche später treffen sich Heß und Hendricks mit Generalvikar Rössel. "Wir haben noch Hoffnung, dass sich das Bistum bewegt", sagt Hendricks. Falls nicht, dürfte der Fall bundesweit Schlagzeilen machen. "Wenn die Nummer läuft, macht das Schule", glaubt der Diag B-Chef. Beim Bistum ist derweil Schweigsamkeit das Gebot der Stunde. "Weil bei Kündigungen in der Probezeit die Gründe selbst dem Betroffenen nicht mitgeteilt werden, gehören sie erst recht nicht in die Öffentlichkeit", meint Sprecher Hans Casel.

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