"Das hat noch keiner mitgemacht"

MERTESDORF. In einer bundesweit beispiellosen Polizeiaktion durchkämmen 80 Beamte und Helfer seit Freitagmorgen die Zentralmülldeponie Mertesdorf (Kreis Trier-Saarburg). Sie suchen nach Leichenteilen der vor drei Wochen in Trier ermordeten Frau. Der Torso der 31-Jährigen war in der Mosel gefunden worden, der mutmaßliche Täter sitzt in Haft.

Die Frauen und Männer sind um ihre Arbeit nicht zu beneiden: Bekleidet mit weißen Schutzanzügen, Atemmasken, Sicherheitsschuhen und säurefesten Handschuhen durchwühlen die 20 Polizeibeamten den ihnen zuvor von Hubladern des Technischen Hilfswerks angekarrten Müll. Zwei Stunden ist die Gruppe im Einsatz, dann wird sie abgelöst, dürfen sich die Beamten ausruhen, bis sie wieder an der Reihe sind. Die ungewöhnliche Aktion auf der Mertesdorfer Deponie bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ist selbst für die dienstältesten Polizisten Neuland. "Derartiges", sagt Walter W. Weber vom Führungsstab der Polizei, "hat von uns noch niemand zuvor mitgemacht." So ungewöhnlich und unappetitlich wie der Einsatzort ist auch der Grund der Such-Aktion: Vor drei Wochen entdeckte ein Spaziergänger an der Mosel bei Grevenmacher den in eine blaue Plastikhülle eingewickelten Torso einer jungen Frau. Die Leiche konnte erst identifiziert werden, nachdem die Eltern der 31-Jährigen Tage später eine Vermisstenmeldung aufgegeben hatten (der TV berichtete mehrfach). Bei der Toten handelte es sich um eine allein lebende Diplom-Ingenieurin aus dem Trierer Stadtteil Mariahof. Wie die Ermittlungen ergaben, hatte ein 38-jähriger Nachbar die Frau getötet, weil sie ein zuvor verabredetes gemeinsames Pizza-Essen kurzerhand wieder abgesagt hatte. In seiner Wohnung schnitt der Malergeselle der Leiche Kopf, Arme und Beine ab. Den Torso warf er zwischen Wasserbillig und Grevenmacher in die Mosel, den Kopf und die Gliedmaßen - eingepackt in große Plastiktüten - in mehrere Müllcontainer. Diese waren bei der Festnahme des Mannes bereits geleert, der Inhalt auf die zentrale Mülldeponie in Mertesdorf abtransportiert worden. Für die Ermittler begann nach dem Geständnis des 38-jährigen Trierers die Sisyphusarbeit. Anhand der Entleerungszeiten und mit Unterstützung der Mitarbeiter des Zweckverbands Abfallwirtschaft im Raum Trier (ART) wurde das in Frage kommende Deponiestück eingegrenzt. Das Gelände, auf dem die vermissten Leichenteile der jungen Frau vermutet werden, ist 1000 Quadratmeter groß und umfasst 3000 Kubikmeter Restabfall - etwa 150 Müllwagen-Ladungen."Wir suchen, bis wir etwas gefunden haben"

Das so genannte Deponiegut wird seit Freitagmorgen von zwei Hubladern des Technischen Hilfswerks (THW) Saarburg und Bitburg Fuhre für Fuhre beiseite gefahren und von Polizisten, die sich freiwillig gemeldet haben, vorsichtig durchsucht - bis zum Abend ohne Erfolg. "Wir schaffen etwa 300 Kubikmeter am Tag", schätzt Polizeisprecherin Monika Peters. Im schlimmsten Fall könnte die von der Trierer Staatsanwaltschaft angeordnete Suche nach den Leichenteilen der 31-Jährigen somit zehn Tage dauern. "Wir suchen, bis wir etwas gefunden haben", verspricht Hauptkommissar Michael Jäckels. Vorsicht ist bei der laut Jäckels bundesweit in dieser Größenordnung einmaligen Aktion oberstes Gebot. Gemeinsam mit einem Ingenieurbüro, ART-Mitarbeitern, der Fachgruppe "Räumen" des Technischen Hilfswerks und dem Gefahrstoffzug der Kreisverwaltung Trier-Saarburg wurde ein Sicherheitsplan erstellt. Alle eingesetzten Polizisten mussten sich im Vorfeld ärztlich untersuchen lassen. Gefahr droht den Helfern auf der Deponie nicht nur wegen der Gase, sondern auch durch aufgewirbelten Staub oder herumliegende Scherben. Unmittelbar hinter der Einfahrt zur Mertesdorfer Deponie wurde für die 80 eingesetzten Kräfte eine kleine Zeltstadt aufgebaut - mit Umkleide-, Dusch- und Versorgungsbereich. Hier können sich die Helfer nach zweistündigem Einsatz auch etwas ausruhen. Sie alle hoffen, dass die sterblichen Überreste der ermordeten Frau möglichst rasch gefunden werden.

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