Dealer macht sich an Schulschwänzer heran

Noch rechtzeitig genug sind zehn Schüler aus Bernkastel-Kues von ihrer Heroin-Abhängigkeit befreit worden. Gleichwohl ist die Polizei über die Dimension des Deliktes geschockt.

Bernkastel-Kues. Erschreckende Bilanz: Fünf Männer sind 2009 in Wittlich bereits an einer Überdosis Heroin gestorben (der TV berichtete). Ein ähnliches Schicksal blieb zehn jungen Männern aus Bernkastel-Kues und umliegenden Orten erspart, weil einige Eltern, die Auffälligkeiten bei ihren Sprösslingen festgestellt hatten, die Polizei einschalteten. Laut Helmut Kaspar, Leiter der Polizeiinspektion Bernkastel-Kues, handelt es sich um Schüler von vier Bernkastel-Kueser Schulen (Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Berufsbildende Schule).

Wie weit deren Abhängigkeit schon ging, zeigt sich daran, dass sie sich, nachdem der 23-jährige Dealer in die USA geflüchtet war, an zwei Wittlicher wandten, denen Heroinhandel zur Last gelegt wird. Nach den Ermittlungen der Polizei bezog der 23-Jährige das Rauschgift von den Männern, die mittlerweile in Untersuchungshaft sitzen.

Der Deutsch-Amerikaner war offenbar zielgerichtet vorgegangen. Er lud junge Männer, die ihm als gelegentliche Schulschwänzer bekannt waren, in seine Wohnung ein. Erst versorgte er sie mit Haschisch, dann mit einem Stoff, den er als Haschischöl ausgab, bei dem es sich aber um Heroin handelte, das die Konsumenten schnell abhängig macht.

Bis zu 30 Euro pro Heroin-Portion



Bis zu 30 Euro pro Portion hätten die Schüler ausgeben müssen, schätzt Kaspar. Da sich der Dealer in Bernkastel-Kues auskannte, habe er sich materiell gutgestellte Schüler ausgesucht. "Deshalb ist es nicht zu Beschaffungskriminalität gekommen", sagt der Beamte mit hörbarer Erleichterung.

Unmittelbar nachdem sich Eltern an die Polizei gewandt hätten, seien Kräfte nur für diesen Fall abgestellt worden. In Zusammenarbeit mit der Kripo in Wittlich seien die Wohnungen der Dealer und der Schüler durchsucht worden. Überall seien Rauschgift und Utensilien zu dessen Gebrauch gefunden worden.

Offenbar waren die jungen Leute, die eine Zeitlang ihre Sucht zu verbergen suchten, erleichtert, als die Polizei einschritt. "Auffallend war, dass alle Konsumenten zum Ausdruck brachten, dass sie froh sind, dass man sich ihrer nun seitens der Eltern und der zuständigen Stellen annimmt", sagt Winfried von Landenberg (Kripo Wittlich). Die jungen Männer hätten bei den Vernehmungen ausgesagt, dass sie den Stoff niemals genommen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass es sich um Heroin handelt. Ausgestanden sein dürfte der Heroinkonsum für sie noch nicht. "Die Beschaffung illegaler Drogen ist strafbar", sagt Helmut Kaspar. Was den jungen Leuten drohen könnte, war am Montag nicht in Erfahrung zu bringen.

Alfred Schmitt, Leiter des Nikolaus-von-Kues-Gymnasiums, erinnert sich an ein, zwei Fälle, in denen die Schule aktiv geworden sei, weil Schüler durch Leistungsabfall und mehrfaches Schulschwänzen aufgefallen seien. Es sei möglich, dass dies mit dem Fall in Zusammenhang stehe, sagt er. Bruno Niederprüm, Rektor der benachbarten Freiherr-vom-Stein-Realschule, zeigt sich auf die Nachfrage des TV überrascht. "Mir ist davon nichts bekannt", sagt er.

Für Winfried von Landenberg ist dieser Fall bisher "einmalig". Auch für Helmut Kaspar hat er eine besondere Dimension: "Wir sind zwar sensibilisiert, waren aber etwas geschockt, als die Umstände bekanntwurden."

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