Dem Nepp im Netz auf der Spur - Bundeskartellamt hat Facebook im Auge

Trier/Bonn · Mit seinen 360 Mitarbeitern überwacht das Bundeskartellamt den Markt. Jetzt wollen sich die Wettbewerbshüter noch mehr um den Schutz der Verbraucher kümmern – und um Facebook.

Benzinpreise, Internethandel, Wurst-, Zucker- oder Bierkartelle: Das Bundeskartellamt in Bonn legt sich mit der deutschen Wirtschaft an, wenn es den fairen Wettbewerb gefährdet sieht. "Mit unseren 360 Mitarbeitern sind wir so etwas wie ein Scheinriese", erklärt der Präsident des Amtes, Andreas Mundt. Denn es sind letztlich nur wenige Menschen im Kampf gegen die mächtigen Unternehmen. Jüngster Erfolg der Wächter: Fernwärmekunden werden auf Druck des Amtes um 55 Millionen Euro entlastet.

Einen genauen Blick hat das Bundeskartellamt auch auf den deutschen Milchmarkt. Derzeit läuft ein Pilotverfahren gegen die größte deutsche Molkerei (Deutsches Milchkontor). Die Abhängigkeit der Milchbauern von den Molkereien und die Marktmacht des Lebensmitteleinzelhandels bedeuten für Mundt in der Summe: "Am Ende trägt das Risiko vor allem einer: der Landwirt." Globalisierung und Digitalsierung haben die Anforderungen an die Wettbewerbshüter verändert. Vor allem der Internethandel ist nicht mit den alten Marktbedingungen, etwa im Stahlhandel, zu vergleichen. Alles geht schneller. Doch der Bundeskartellamtschef sieht seine Behörde gut aufgestellt. "Ich glaube, wir sind weltweit eine der aktivsten Behörden", erklärt Andreas Mundt.

Als Beispiel nennt er das Vorgehen gegen die Hotelportale hrs und booking.com. "Die Unternehmen haben mit ihren Bestpreis-Klauseln die Anbieter unter Druck gesetzt." Wenn die Portale die Hotels aufforderten, keinen niedrigeren Preis anzubieten als auf ihrer Internetplattform, sei das nicht der beste Preis, sondern allenfalls ein Mindestpreis. Mundt: "Da läuten bei uns alle Alarmglocken." Das Verbot wird derzeit vor Gericht verhandelt.

Mehr Kompetenz erhofft sich der Bundeskartellamtschef von der Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. "Dies würde einen besseren Schutz der Verbraucher gewährleisten", sagt Andreas Mundt. Besteht derzeit ein Verdacht auf einen Verbraucher-Nepp im Netz, kann die Bonner Behörde nur eingreifen, wenn die betreffenden Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung einnehmen. So prüft die Behörde derzeit, ob Facebook seine Marktmacht ausnützt: "Sollten wir feststellen, dass sich Facebook gegenüber den Kunden im Rahmen der Datenerhebung und -verwertung missbräuchlich verhält, könnten wir gegebenenfalls Änderungen erwirken." Doch zuallererst muss die Behörde prüfen, ob das Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung ausübt. Das kostet viel Zeit.

Mit einer Gesetzesänderung könnte die Behörde mehr für Verbraucher erreichen. Bisher können Betroffene individuell gegen Verstöße vorgehen. Bietet etwa eine Airline eine Flug zu einem günstigen Preis an, der sich bei der Buchung durch weitere Kriterien stark erhöht, kann der Kunde gegen diese Geschäftspraktik klagen - doch das gilt lediglich für ihn.

Ein Dorn im Auge sind der Behörde auch dubiose Onlinebewertungen von Produkten und Dienstleistungen sowie die In-App-Käufe. Ist die App zunächst kostenlos, gehen weitere Zusatzleistungen schnell ins Geld. Bei einer Gesetzesänderung könnte das Amt bei Massenverstößen schneller eingreifen und anstelle der Verbraucher Musterverfahren angehen. Mundt: "Das würde ich mir wünschen."

Mehr Verbraucherschutz wäre schön - Interview mit dem Präsidenten des Bundeskartellamtes

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort