Der Don Quijote von der Mosel

BERNKASTEL-KUES. Seit mehr als 20 Jahren kämpft der Jurist Friedrich Schmidt aus Bernkastel-Kues für seine Wiederzulassung als Rechtsanwalt und ist dabei so erfolglos wie einst Don Quichote in seinem Kampf gegen die Windmühlen. Schmidts Dilemma: Er sei ein notorischer Querulant und nicht ganz richtig im Kopf, behaupten zumindest seine Kritiker.

Wenn Friedrich Schmidt auf die deutsche Justiz und ihre obersten Repräsentanten zu sprechen kommt, nimmt der heute 61-Jährige schon seit gut zwei Jahrzehnten kein Blatt vor den Mund. Im Gegenteil: Einen ehemaligen Gerichtspräsidenten verglich der Moselaner einst mit dem Nazi-Richter Freisler, einen Bundesgerichtshof-Präsidenten nannte Schmidt "Ungeheuer" und "Monster", einen ehemaligen Staatsanwalt samt dienstvorgesetztem Landesjustizminister wahlweise "Rechtsbeuger", "Strafvereiteler", "Verfassungshochverräter" oder "Vertreter der rheinland-pfälzischen Allgewalten-Einheitstyrannis".Gutachten per Ferndiagnose

Der Auslöser für Friedrich Schmidts wüste Schimpf- und Beleidigungskanonaden war ein Weinwirtschaftsprozess Ende der 70er Jahre. Der damals noch junge Rechtsanwalt vertrat Gläubiger, die nach seiner Meinung zu Unrecht auf finanzielle Ansprüche in Millionenhöhe verzichten mussten. Schmidt machte dafür Richter und Staatsanwälte mitverantwortlich, die das Recht gebeugt und Partei genommen hätten. Das brachte dem angriffslustigen Juristen selbst jede Menge Scherereien und diverse Klagen ein. Als das Schöffengericht Bernkastel-Kues Schmidt 1984 vom Vorwurf der mehrfachen Beleidigung und üblen Nachrede freisprach, weil seine Schuldfähigkeit "wegen einer schweren seelischen Abartigkeit (Querulanz) möglicherweise ausgeschlossen" sei, sah der damalige Präsident des Koblenzer Oberlandesgerichts seine Stunde gekommen. Er entzog dem ungeliebten Schmidt die Zulassung als Rechtsanwalt - "wegen Schwäche der geistigen Kräfte". Grundlage war ein Akten(!)-Gutachten des Mainzer Psychiatrie-Professors Johann Glatzel, in dem Schmidt eine "röhrenförmige Einengung des Gesichtsfeldes" bescheinigt wird sowie ein "Hang zum Fanatisch-Querulatorischen". Der "Fall Schmidt" machte bundesweit Schlagzeilen, in rheinland-pfälzischen Juristenkreisen war das "enfant terrible" von der Mosel längst fast bekannter als der damalige Justizminister Heribert Bickel. Sein hoher Bekanntheitsgrad und die große Aufmerksamkeit halfen Friedrich Schmidt allerdings nicht: Alle Rechtsmittel gegen den im Dezember 1986 schließlich vom Karlsruher Bundesgerichtshof (BGH) bestätigten Entzug der Zulassung blieben erfolglos, ebenso eine Verfassungsbeschwerde Schmidts und der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Einziger Trost: Ein Hintertürchen ließ der Anwaltssenat am BGH dem zum Rechtsassessor degradierten Rechtsanwalt von der Mosel seinerzeit noch offen: Die Entscheidung bedeute kein lebenslanges Berufsverbot. Bessere sich sein Zustand, könne Schmidt die Anwaltszulassung erneut beantragen, urteilte der damalige Gerichtspräsident Gerd Pfeiffer. Mehrfach hat Friedrich Schmidt in den letzten Jahren versucht, die Lizenz wieder zu bekommen. Vergeblich. Den bis dato letzten Antrag auf Wiederzulassung stellte der 61-Jährige per E-Mail im September vergangenen Jahres bei der Koblenzer Rechtsanwaltskammer - in gewohnter Manier. Er habe niemals an einer ihm lediglich in einem wertlosen psychiatrischen Schriftgutachten angedichteten röhrenförmigen Verengung seiner geistigen Wahrnehmungsperspektive gelitten, heißt es darin sinngemäß zur Begründung. Als Reaktionen der Kammer ausblieben, legte Schmidt nach und lehnte den Vorstand ("eine alte Garde des hier alleine vorgetäuschten Rechtsstaates") wegen Befangenheit ab. Immerhin erhielt Friedrich Schmidt dieses Mal eine Antwort. Bevor die Kammer entscheide, möge Schmidt doch bitteschön "ein psychiatrisches Gutachten über seinen Gesundheitszustand" vorlegen. Diesem Ansinnen allerdings will der Bernkastel-Kueser Jurist nur nachkommen, wenn sich auch die Mitglieder des mit seinem Fall befassten Kammer-Gremiums psychiatrisch untersuchen ließen. "Wenn ich, dann auch Ihr", sagt der Mosel-Don-Quijote. Weil Friedrich Schmidt wohl ahnte, dass es damit keinen Erfolg landen würde, klagte er parallel beim Koblenzer Anwaltsgerichtshof auf seine Wiederzulassung als Rechtsanwalt. Doch auch hier bekam der Niederlagen gewöhnte 61-Jährige einen Korb: Der Antragsteller möge binnen zwei Monaten ein psychiatrisches Gutachten vorlegen. Darin solle unter anderem untersucht werden, ob Schmidt nicht erneut Gefahr laufe, "bei der Verfolgung von Rechtsanliegen in persönliche Angriffe gegen den Gegner oder die Justiz abzugleiten". "Das sind alles Flaschen"

Allzu optimistisch, dass Schmidt von dem Gutachter einen Persilschein bekommt, sind offenbar aber auch die fünf Richter des Anwaltsgerichtshofs nicht. "Die schriftlichen Äußerungen des Antragstellers im vorliegenden Verfahren zeigen, dass er sich nach wie vor von allen im Bereich der Justiz Tätigen (…) verfolgt fühlt", heißt es in dem Beschluss. "Die Justiz ist völlig am Ende. So viel Inkompetenz", kontert Friedrich Schmidt, der gegen den Beschluss des Anwaltsgerichtshofs jetzt Beschwerde beim BGH einlegen will, wo er dereinst schon mal in letzter Instanz verloren hat. Dass es den 61-Jährigen trotz Anwaltsschwemme und seines nicht mehr gerade jugendlichen Alters noch in den Beruf drängt, den er seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr ausüben darf, dafür hat er eine einfache Erklärung: "Es gibt doch keine engagierten Anwälte mehr. Das sind alles Flaschen, die ihre Mandanten nicht optimal vertreten." Die nächsten Freunde fürs Leben dürfte sich der Mosel-Don-Quijote damit schon gemacht haben.

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