"Der Ton ist schärfer geworden"

MAINZ. Sozialpolitik ist Kampf, weiß Sozialexperte Günter Rösch. Vor allem, wenn die Kassen leer sind und Kürzen statt Verteilen angesagt ist. Umso ärgerlicher für ihn, dass in der Politik immer häufiger scharfe Polemik die Oberhand über sachliche Kritik und Diskussion gewinnt. "Da geht einiges von der Rolle", meint der SPD-Abgeordnete von der Mosel, der nach 19 Jahren Abschied vom Landtag nimmt.

Es gibt bessere Zeiten für Sozialpolitiker als die derzeitige Herrschaft des Rotstifts: Etats müssen zusammengestrichen, Unterstützungsleistungen gekippt und Sicherungssysteme auf ein bezahlbares Niveau ausgerichtet werden. "Da sind bittere Entscheidungen zu treffen", sagt Günter Rösch. Gerade deswegen lohnt es sich nach seiner Überzeugung jedoch zu kämpfen, um möglichst viel vom Sozialstaat zu retten. Allerdings, nach vier Wahlperioden müssen in der SPD-Landtagsfraktion nach dem 26. März andere ran, denn der ehemalige Dienststellenleiter des Arbeitsamts Bernkastel-Kues sagt dem Parlament mit 62 Jahren Ade. Der gebürtige Rivenicher geht mit gemischten Gefühlen, hat er doch als sozialpolitischer Sprecher der großen Koalitionsfraktion mitentscheidenden Einfluss auf die politischen Vorgaben für die Regierung. Dass Ministerien und Staatskanzlei angeblich der Fraktion vorlegen, was später im Landtag nur noch abgenickt werden muss, ist laut Rösch eine Mär und zeigt ein falsches Bild von Landespolitik. Frühzeitiges Einbinden beider Seiten verringert rechtzeitig Reibungsverluste, so seine Erfahrung mit dem Zusammenspiel zwischen der Regierung und ihrer Abgeordnetenriege. Weit weniger kooperativ hat sich aus Sicht des Moselaners allerdings das Verhältnis der Parlamentsfraktionen untereinander in den vergangenen Jahren entwickelt. Scharfzüngige Auseinandersetzungen sind für ihn das Salz in der Suppe der politischen Streitkultur. "Aber heutzutage wird in der Politik meist ohne Rücksicht auf Verluste polemisiert", beklagt Rösch."Wer die Benachteiligung spürt, engagiert sich"

Statt inhaltlicher Auseinandersetzung gibt es zu oft persönliche Attacken. "Der Ton ist schärfer geworden. Da geht einiges von der Rolle", warnt er. Mit gewissen Leuten gibt es dann auch nach der Debatte nur noch begrenzten Kontakt. Die Gemeinsamkeiten waren nach seiner Erfahrung in früheren Jahren deutlich größer. Dass er politisch aktiv werden wollte, stand für den Sohn eines Arbeiters schon frühzeitig fest. "Wer die Benachteiligung spürt, engagiert sich", sagt Rösch. Nach einer Ausbildung zum Restaurantfachmann führte ihn sein Job im Hotelfach zwar in die Schweiz, nach Frankreich und Luxemburg. Den bodenständigen Weinliebhaber zog es jedoch letztlich wieder in die Heimat, wo er sich schließlich zum Diplom-Verwaltungswirt (FH) weiterbildete und in die Arbeitsverwaltung wechselte. Nach einer ersten Kandidatur 1983 für den Bundestag folgte 1987 der erfolgreiche Sprung in den Landtag. Der damalige SPD-Oppositionsführer Rudolf Scharping hievte den Leiter des Arbeitsamts Bernkastel-Kues auf den Posten des sozialpolitischen Sprechers der Fraktion und machte ihn zum Vorsitzenden des Arbeitskreises Soziales. "Da hieß es, sich ins Zeug legen, um die Erwartungen auch zu erfüllen", stellt er im Nachhinein fest und erinnert sich an manche hitzige Plenardebatte. "Als Oppositionspolitiker konnte man ungezwungener reden, auch wenn es wenig befriedigend war, letztlich nichts zu erreichen. Als Koalitionsredner fiel alles schon etwas gemäßigter aus. Schließlich galt es, Mitverantwortung zu tragen und Rücksichten zu nehmen." Ein Aufstieg zum Staatssekretär im Beamtenstatus war für ihn nie ein Thema. Dazu war Rösch nach eigenen Worten mit zu viel Herz Abgeordneter. Zwar räumt er ein, dass der Landtag im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Zuständigkeiten an Bund und EU abgeben musste. Doch die beschlossene Föderalismusreform könnte einiges wieder zurückbringen, hofft der Noch-Parlamentarier. Profitieren können davon allerdings nur noch seine Nachfolger.

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