Dicke Autos - dicke Luft

Politiker als Vorbild: Das würde man sich auch mit Blick auf die Klima-Debatte wünschen. Recherchen haben aber ergeben, dass viele Spitzen-Volksvertreter dicke Dienstautos fahren und so die Umwelt belasten.

Berlin. Lässt Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) ihren Fahrer mal ordentlich aufs Gaspedal treten, dann heulen unter der Motorhaube ihres Dienstwagens satte 340 PS auf. Mit 250 Stundenkilometern könnte Schavan dann über die Autobahn brettern - pro Kilometer stößt ihre Limousine 272 Gramm CO{-2} aus. Das ist verdammt viel, wenn man weiß, dass der EU-Grenzwert bei durchschnittlich 120 Gramm je Kilometer liegen soll und die Bundesregierung in Sachen Klimaschutz eigentlich eine Voreiterrolle spielen wollte. Dicke Autos - dicke Luft: Viele Politiker-Dienstwagen geben laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) rund doppelt so viel CO{-2} ab wie die EU-Kommission zulassen will. Innerhalb der Bundesregierung ist Schavan ein besonderer Fall: Denn trotz der Klimadebatte im vorigen Jahr rüstete sie nach Angaben der Umwelthilfe noch einmal auf. Vorher ließ sich Schavan in einem Mercedes S 350 mit lediglich 272 PS und einem CO{-2}-Ausstoß von 247 Gramm kutschieren, jetzt ist es der S 450 mit 25 Gramm mehr an Ausstoß. Der eigentliche Klimakiller am Kabinettstisch ist allerdings Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD): Sie wird in einem Mercedes S 500 mit 388 PS und einem CO{-2}-Ausstoß von 286 Gramm je Kilometer durch die Gegend chauffiert, besagt die DUH-Statistik. Vorbildlich ist das nicht. Die meisten Schlitten der Minister sind besonders üppig motorisiert, werden erst bei Tempo 250 elektronisch abgeregelt und verbrauchen große Mengen Kraftstoff. "Die Dickfelligkeit" bei der Wahl der Dienstwagen sei erschreckend, so DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Dabei müssten die Mandatsträger mit gutem Beispiel vorangehen und ein Signal setzen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) zumindest hat von einem Audi A8 TDI (249 Gramm CO{-2} je Kilometer) auf einen Mercedes E 200 mit Erdgasantrieb umgesattelt und den Schadstoffausstoß auf 222 Gramm CO{-2} je Kilometer gesenkt. Ministerien mauern bei der Datenauskunft

Bei den anderen Bundesministern schwankt der CO{-2}-Ausstoß ihrer Fahrzeuge zwischen 212 und 267 Gramm. Drei Monate brauchte die Umwelthilfe, um alle Daten zusammenzutragen. Immer wieder sei seitens der Ministerien gemauert und erklärt worden, es würden nur Fahrzeuge "modernster Bauart mit energieeffizienten Motoren und modernster Filtertechnik eingesetzt". Politiker müssten nicht auf Kleinwagen umsteigen, aber die Motorisierung sei in fast jedem Fall übertrieben, befand Resch. Bei Kanzlerin, Außen-, Verteidigungs- und Innenminister fragte man nicht nach, ihre aus Sicherheitsgründen extrem gepanzerten Limousinen brauchen sowieso viel Sprit und sind im Notfall Fluchtfahrzeuge. Auch in den Ländern findet man so gut wie keine Vorbilder: Beim Kohlendioxid Spitze ist Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU). Er ist in einem BMW 750i mit 367 PS und einem durchschnittlichen CO{-2}-Ausstoß von 271 Gramm je Kilometer unterwegs. Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) fährt einen Mercedes Diesel mit 235 PS und 228 Gramm CO{-2}-Ausstoß. Nur vier Staatskanzleien rückten die entsprechenden Daten raus. Der Klimaschutzgedanke spiegelt sich auch nicht bei den Dienstautos der Landes-Umweltminister wider. Lobenswerte Ausnahme ist allein Berlins Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke): Sie fährt einen Toyota Prius mit Hybridantrieb, der Wagen hat schlappe 78 PS und lediglich eine Emission von 104 Gramm CO{-2}.

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