Die Angst vor dem gläsernen Patienten

Für die Befürworter gibt es nur Vorteile, die Gegner sehen den Datenschutz in Gefahr und befürchten mehr Bürokratie: Experten diskutierten in Trier über die elektronische Patientenakte.

Trier. Jürgen Riebling hatte es nicht einfach. Zwar hob der Chef der Vita-X AG immer wieder die Sicherheit der von ihm im Auftrag des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums produzierten elektronischen Patientenakte hervor. Die Patienten seien die alleinigen Herren über ihre Daten, nur mit ihrer Zustimmung würden Befunde, Laborwerte oder Medikamentenverordnungen gespeichert. Gleichwohl blieben einige der rund 50 Zuhörer skeptisch - darunter der Trie-rer Kinderarzt Stephan Güntzer. Als einer von 50 Ärzten, die die Patientenakte derzeit testen, sieht er keine Verbesserung der Patientenversorgung: Durch das Einlesen der Daten verliere er Zeit, die ihm für das Gespräch mit den Patienten fehle. In die gleiche Kerbe schlug der Düsseldorfer Arzt Martin Grauduszus, Vorsitzender der Freien Ärzteschaft, eines ärztlichen Berufsverbands mit knapp 3000 Mitgliedern. Durch die elektronische Patientenakte nehme die Bürokratie weiter zu. "Ich lasse mir nicht von der Bürokratie vorschreiben, wie ich Patienten behandeln soll", kritisierte Grauduszus, der das Projekt ablehnt. Durch die Speicherung der Patientendaten auf einem zentralen Computer würde die ärztliche Schweigepflicht ausgehebelt, es bestünde die Gefahr, dass Arbeitgeber oder Krankenkassen Zugriff auf Krankheitsbilder einzelner Patienten haben könnten. Auch der Deutsche Ärztetag hatte sich gegen die zentrale Datenspeicherung gewandt. Der Trie-rer Arzt Michael Siegert, ärztlicher Projektleiter, sieht mehr Vor- als Nachteile in der elektronischen Patientenakte. Derzeit müssten Befunde etwa aus dem Krankenhaus oft erst nachgefragt werden, nicht selten stünden Röntgenbilder nicht zur Verfügung, oder ein Arzt, der Urlaubsvertretung habe, wisse nicht, was dem ihm unbekannten Patienten verordnet worden sei. All das könne künftig auf die Patientenakte, die eine freiwillige Anwendung der elektronischen Gesundheitskarte ist, gespeichert werden. Um mögliche Nachteile herauszufinden und Verbesserungen zu machen, gebe es den derzeit laufenden Test. Testteilnehmer und Patient Hans Michalik ist nach eigenem Bekunden zufrieden mit der Karte, nur die Eingabe der persönlichen Geheimnummer, die notwendig ist, könnte hin und wieder problematisch sein. Der Diskussionsbedarf unter den Zuhörern war groß, doch Gelegenheit dazu gab es nicht. Moderator Jürgen Faltin vom Mainzer Gesundheitsministerium beendete die Diskussion, bevor sie überhaupt richtig angefangen hatte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort