"Die Eltern sind Feiglinge"

TRIER. Wie kann der Anstieg von Gewalt an Schulen verhindert werden? Darüber diskutierten drei Tage lang 80 Experten an der Katholischen Akademie in Trier.

"Die Eltern sind Feiglinge", ärgert sich ein Lehrer. Von 100 Eingeladenen kämen vielleicht gerade mal 15 zu Elternabenden. Sie Interessierten sich nicht mehr für das, was in der Schule passiere, gingen den Problemen ihrer Kinder aus dem Weg und überließen die Erziehung den Lehrern. Und die müssten dann ausbaden, was zu Hause schief laufe. Viele Pädagogen sind sauer. Sie stehen unter Druck: Ihnen werden die schlechten Pisa-Ergebnisse angelastet und sie sollen Schuld sein an zunehmender Gewalt in der Schule.Lehrer fühlen sich überfordert

Die Lehrer fühlen sich überfordert: Sie sollen buchdicke Lehrpläne durchpauken, sollen schwächere Schüler fördern und gleichzeitig Sozialarbeiter sein, die auf Rabauken, gewaltbereite Schüler und deren Opfer gleichermaßen eingehen. Gewalt unter Schülern sei kein isoliertes Problem; Eltern, Lehrern und Kinder müssten gemeinsam dagegen vorgehen, sagt die Sozialpädagogin Christina Quetsch aus Pirna. Oft lägen die Gründe für Aggressionen im Klassenraum schon in der Grundschule. Misserfolge in den ersten Schuljahren führten oft dazu, dass der Weg dieser Kinder vorgezeichnet sei. Viele Hauptschüler fühlten sich daher als minderwertige Schüler, die keine andere Schule haben wolle und die ohnehin keinen beruflichen und gesellschaftlichen Erfolg haben würden. Dabei bedürften gerade sie einer besseren pädagogischen Betreuung als es die Lehrpläne eigentlich zu lassen. Eine Forderung, die den derzeit diskutierten Ergebnissen der Pisa-II-Studie und der Forderung nach Abschaffung der Hauptschulen entgegensteht. Doch auch schwierige Familienverhältnisse sind Mitursache für die zunehmenden Aggressionen bei Jugendlichen. Es gebe kaum noch die "Heile-Welt-Idylle" zu Hause, sagt die Trierer Psychologin Andrea Mohr. Immer mehr Ehen gingen kaputt, die Zahl der Alleinerziehenden steige, fast jedes siebte Kind lebe in Armut. Es gebe kaum noch funktionierende Familienstrukturen: "Die Schulen müssen daher Erziehungsaufgaben übernehmen", sagt Mohr. Neben reinem Wissen müssten Lehrer viel mehr soziale Kompetenz vermitteln. Ihre Aufgabe sei es, die Schüler stark zu machen, ihnen Selbstbewusstsein und die Kompetenz, Probleme zu lösen, beizubringen und frühzeitig auf Konflikte zu reagieren. Doch bislang spielt das in der Lehrerausbildung kaum eine Rolle. Lehrer sollten die Eltern dabei einbeziehen, notfalls zu ihnen nach Hause gehen, um über die Probleme ihrer Kinder zu sprechen, oder neue Formen von Elternabenden anbieten. Doch in vielen Schulen scheint das Problem Gewalt noch immer ignoriert zu werden. Einige engagierte Lehrer bieten vorbeugende Projekte an, doch stehen sie oft alleine im Kollegium da. Auch so manches ehrgeizige Projekt führt nicht zum erhofften Erfolg, was auch Christina Quetsch erleben musste. Zusammen mit Kollegen leitete die Sozialpädagogin ein sechswöchiges Konflikttraining an einer Hauptschule. Das Konzept passe kaum in die festgefahrenen Unterrichtsstrukturen, der Erfolg lasse zu wünschen übrig. Zwar hätten viele Kinder nach dem Projekt erkannt, dass Gewalt der falsche Weg sei, mit Aggressionen umzugehen, doch die Zahl der Fälle sei gleich geblieben. Zum Thema hat die Katholische Akademie Trier ein Buch herausgebracht: "Auswege aus der Gewalt an Schulen", Bertuch Verlag, Weimar, 22,80 Euro im Buchhandel oder direkt bei der Katholischen Akademie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort