Die Revolution findet nicht statt

Die groß angekündigte Kommunalreform droht unter schwindendem Elan zum Reförmchen zu werden. Nach neun Regionalkonferenzen mit Kommunalpolitikern und Verbandsvertretern stellt Innenminister Karl Peter Bruch ernüchtert fest, dass der Wille zur Veränderung meist am eigenen Hinterhof endet.

Mainz. Unnötige Bürokratie abbauen, die Verwaltung wirkungsvoller und kostengünstiger machen, Gebietsstrukturen der Bevölkerungsentwicklung anpassen: Fast 40 Jahre nach der umfassenden Kommunalreform hat sich die SPD-Landesregierung große Ziele für eine Neuauflage gesetzt - und baut darauf, vor allem auch die noch zögerliche CDU an ihre Seite zu ziehen. Doch nach den landesweiten Regionalkonferenzen mit Kommunal- und Wirtschaftsvertretern ist für den zuständigen Innenminister eines klar: Die Einsicht für Veränderungen ist nur generell da, so lange sie nicht den eigenen Hinterhof betreffen."Die Revolution wird so nicht kommen", sagte Bruch im Gespräch mit dem TV. Wenn es bei Diskussionen um Änderungen ans "Eingemachte" geht, kommt vielen Betroffenen rasch die Erkenntnis, dass es eigentlich im Land doch gut laufe, so sein Fazit aus den Konferenzen und vielen Gesprächsrunden. Dem ersten Ruck für eine Reform ist laut Bruch ein großes "Halt" gefolgt - ganz nach dem Motto: "Es könnte ja am Ende doch etwas Unerwartetes kommen." Auf diesem Gebiet habe er sich von den Konferenzen mehr versprochen, sagte Bruch freimütig. Viele Kommunalpolitiker haben nach seiner Überzeugung noch nicht erkannt, wie tiefgreifendend die Folgen des Bevölkerungswandels in den nächsten Jahrzehnten sein werden. Zu sehr wird aus seiner Sicht noch auf die aktuelle örtliche Situation abgehoben. Dass sich bei ihm eine gewisse Ernüchterung eingestellt hat, bestreitet der Minister nicht. Ganz bewusst keine Pflöcke eingerammt

Auf den Regionalkonferenzen wurde Bruch einerseits vorgehalten, bislang zu wenig eigene Vorstellungen einzubringen. Andererseits wollte sich die Landesregierung nicht den Vorwurf einhandeln, mit einem eigenem Konzept schon vor der im Februar startenden Bürgerbeteiligung Pflöcke einzuschlagen. Eine Entscheidung traf sie mit dem grundsätzlichen Festhalten an den im Jahr 2000 neu strukturierten Mittelbehörden gleichwohl - und musste dafür bereits viel Kritik einstecken. Bereits länger zeichnet sich ab, dass die Revolution erst recht nicht bei möglichen neuen kommunalen Gebietszuschnitten ausbrechen wird. Vor Monaten hat auch schon die CDU bei diesem Thema abgewunken. Ursprünglich war Bruch zwar anderer Meinung, doch nun gilt auch für ihn: "Klein ist fein." Weil die Anforderung des Verfassungsgerichts an den Nutzen von Neuzuschnitten hoch und die Gefahr der Emotionalisierung groß ist, heißt die neue Devise "überschaubar und effizient". Gesetzt wird vor allem auf freiwillige Zusammenschlüsse, die sich das Land auch etwas kosten lassen will. Doch erst einmal soll bald eine erweiterte Liste zur möglichen neuen Aufgabenverteilung der Verwaltung vorgelegt werden, bevor im Februar die nächste Runde der Bürgerversammlungen eingeläutet wird. Dann steht der Reformwille wieder auf dem Prüfstand. extra Reform-Zeitplan: Bis Ende 2007: Vorschlagsliste für eine Neuverteilung von Verwaltungsaufgaben. Oktober 2007 bis Mitte 2008: erste Stufe der Bürgerbeteiligung mit Regionalkonferenzen und Bürgerkongressen. Sommer 2008: erste Eckpunkte der Reform. Juni 2009: Noch vor der Kommunalwahl soll eine Gesamtkonzeption vorgelegt werden. Herbst 2009 bis 2010: Landtagsberatungen und Beschluss zu Reformpaket. 2011 bis 2013: Phase für freiwillige kommunale Zusammenschlüsse. 2014: Die Kommunal- und Verwaltungsreform tritt mit Kommunalwahl in Kraft. (win)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort