Die vierte Dimension der Hölle

HINZERT-PÖLERT. Am weltweiten Tag der Menschenrechte ist am vergangenen Samstag das Dokumentations- und Begegnungshaus an der KZ-Gedenkstätte Hinzert (Kreis Trier-Saarburg) eröffnet worden. Mit dabei war der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker.

"Für Luxemburger ist Hinzert der Inbegriff von Tyrannei, Sadismus und Mord einer unbarmherzigen Gewaltherrschaft", sagt Pierre Pixius, Vorsitzender des Freundeskreises Hinzert-Luxemburg. "Innerhalb kurzer Zeit wurde ein normaler Mensch zum Nichts, zum Fetzen", erinnert er an das, was der ehemalige Gefangene Abbé Joseph de la Martiniere in seinem Werk über Hinzert als "Pforte zur Hölle" beschrieb. 13 000 Menschen waren in den Jahren 1939 bis 1945 im ursprünglichen Polizeihaft- und späteren "Arbeitserziehungslager" Hinzert dem Terror der SS ausgesetzt, nachweislich mindestens 321 davon sind dort gestorben, zum großen Teil verhungert oder sie wurden hingerichtet. Sechzig Jahre nach Kriegsende und der Befreiung der letzten dort Inhaftierten durch amerikanische Soldaten erinnert jetzt ein Dokumentations- und Begegnungshaus auf dem Gelände des ehemaligen SS-Sonderlagers Hinzert an die Männer aus 18 verschiedenen Ländern, die dort gefangen gehalten und gefoltert wurden. Einige der Überlebenden waren am, dem weltweiten Tag der Menschenrechte, dabei, als die neue für 3,2 Millionen Euro errichtete Gedenkstätte eröffnet wurde. Die jüngeren Generationen könnten sich nicht annähernd vorstellen, "was Menschen dort erlebt und erlitten haben", sagt Jean-Claude Juncker, der als Premierminister des Nachbarlandes Luxemburg an diesem Tag für die rund 1600 Landsleute sprach, die während des Zweiten Weltkriegs in Hinzert inhaftiert waren. "Wir dürfen und müssen uns an etwas erinnern, das wir selbst nicht erleben mussten", hebt Juncker die Bedeutung der neuen Einrichtung hervor. Von menschlicher Würde, die hier "im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen getreten wurde", spricht auch der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck, für den das neue Dokumentations- und Begegnungshaus ein weiterer Versuch sei, die Versöhnung zwischen den Völkern zu stärken. Dass es zukünftig den Generationen übergreifenden Austausch in Hinzert überhaupt gibt, ist auf eine Initiative der Landeszentrale für politische Bildung sowie des Fördervereins "Dokumentations- und Begegnungsstätte ehemaliges KZ Hinzert" zurückzuführen. Ein entsprechender Beschluss des Landtags und ein daraufhin veranstalteter Architektenwettbewerb, dessen Jury neben Architekten auch Historiker und ehemalige Deportierte aus Frankreich und Luxemburg angehörten, ließ ein Gebäude entstehen, "das als Verwerfung der Landschaft deutlich macht, dass die Idylle an diesem Ort trügt", heißt es in einer Info-Broschüre. "Unsere Aufgabe war es nicht, ein Haus zu bauen, sondern die vierte Dimension, die Zeit, sichtbar zu machen", sagt Wolfgang Lorch, einer der beiden Architekten, die den Ideenwettbewerb vor drei Jahren gewonnen hatten und mit dem Bau "ein Zeichen der Irritation" setzen wollten. Irritiert wird der Besucher in der Tat nicht nur durch die äußere faltige Erscheinung des braunen Stahlkomplexes, sondern auch beim Betreten des Hauses. Durch die riesige Fensterfront schaut der Betrachter zunächst auf Wiesenland, in dessen Hintergrund sich einige Windräder drehen. Der Blick nach außen wird jedoch durch eine große, auf das Fenster angebrachte Fotografie des damaligen Barackenlagers gebrochen. Dem Besucher bietet sich damit annähernd eine Aussicht wie vor 60 Jahren - die vierte Dimension wird sichtbar. Das Dokumentations- und Begegnungshaus und die Dauerausstellung sind dienstags bis freitags jeweils von 9 bis 13 und von 14 bis 17 Uhr geöffnet, samstags, sonntags und an Feiertagen von 14 bis 17 Uhr. Montags ist das Haus geschlossen. Info-Telefon: 06586/992493.

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