"Die würden an Laternen baumeln"

TRIER. Sie sehen täglich Bilder, auf denen Kinder grausam missbraucht werden. Bilder, die sich ins Gedächtnis eingraben. Die Computer-Experten der Polizei versuchen, Täter zu überführen, die Kinderpornografie besitzen oder verbreiten. Das Bittere: Die Urheber der Fotos sind kaum zu fassen.

"Wenndie Leute alle Bilder sähen, die wir uns ansehen müssen, dannwürden Pädophile bald an den Laternen baumeln, dann gäbe esLynchjustiz", sagt Polizeikommissar H. Der erfahrene Polizistverbringt seine Dienstzeit in der Regel vor fremden Computern.Oder zumindest vor den von diesen Computern kopierten Daten. H.gehört zur Datenverarbeitungs (DV)-Gruppe des Trierer Präsidiums.Sein Job: Herauszufinden, ob sich auf beschlagnahmtenFestplatten, Disketten oder sonstigen Speichermedien verbotenes,kinderpornografisches Material befindet. H. - das zeigt sich im Gespräch - ist ein Profi, der bei all seinen Recherchen und Auswertungen vor allem objektiv bleiben will, für den die Unschuldsvermutung bei einem Beschuldigten ein hohes Gut ist. Doch selbst ein so kühler Profi wie H. wird emotional, wenn er auf die Perversionen einiger Pädophiler zu sprechen kommt. "Ich habe selbst eine elfjährige Tochter", sagt er. "Wenn ich dann manche Bilder oder Videos sehe, da kommt einem schon die Galle hoch." Ein Baby, das am Bein hoch gehalten wird wie ein Tier, während ein Mann sein Glied in das Kind steckt - das ist eines der Missbrauchs-Bilder, die H. wohl nie vergessen wird. "Da kriege ich noch beim Erzählen eine Gänsehaut. Das ist so menschenverachtend." Regelmäßige Gespräche alle sechs bis acht Wochen mit einem Sozialbetreuer sollen dafür sorgen, dass die vier Beamten die teils extremen Bilder oder Videosequenzen besser verarbeitet können.

Kinder, die im Säuglingsalter penetriert werden, ein kleines Mädchen, das in einer Hand ein Plätzchen hält und in der anderen ein männliches Glied - all das sind offensichtliche Fälle von Kinderpornografie. Oft genug bewegen sich die Täter aber mit der Auswahl ihrer Bilder in einer rechtlichen Grauzone. Beim "Posing" etwa, einer verbreiteten Form von Bildern, bei denen Kinder wie Modells abgelichtet werden. Oder bei dem, was die Beamten unter "FKK" zusammenfassen. Am Strand, auf dem Spielplatz, in der Verwandtschaft oder in der Nachbarschaft lichten Pädophile kleine Kinder ab, die nackt spielen. Bilder, die nicht strafbar sind, so lange die Kinder auf dem Bild mit Umgebung zu sehen sind und nicht etwa ihre Geschlechtsmerkmale herausgestellt werden.

50 000 Bilder auf einer "kleineren" Festplatte

Wem der "Besitz oder die Verbreitung von pornografischen Schriften" nachgewiesen wird, dem droht nach Paragraf 184 des Strafgesetzbuches eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Doch dieser Nachweis kann zur "Suche nach einer Stecknadel in einem Heuhaufen" werden, wie es H. beschreibt. Die Stecknadel ist das verbotene Bild. Der Heuhaufen beispielsweise die Festplatte. Dass sich in pädophilen Kreisen um die 50 000 Bilder schon auf kleineren Computern finden, ist keine Seltenheit.

Die rheinland-pfälzischen Polizisten können bei ihrer Suche nach kinderpornografischem Material mit teurer, hoch entwickelter forensischer Software arbeiten. Das sind spezielle Computer-Programme, die Bilder anhand ihrer Datei-Struktur erkennen können und die auch von FBI oder Scotland Yard genutzt werden. Trotz aller modernen Technik bleibt den Polizisten aber meist nichts anderes übrig, als noch Dutzende oder sogar hunderte von Bildern in Augenschein zu nehmen.

Vor allem auch deshalb, weil allein das Auffinden von kinderpornografischen Bildern auf einer Festplatte noch nicht strafrelevant ist. Die Beamten müssen erst nachweisen, dass der Besitzer sich die Bilder auch beschafft, also beispielsweise aus dem Internet herunter geladen hat. Bei ihrer Fahndung im Daten-Meer brauchen die Beamten daher neben detektivischem Spürsinn vor allem viel Geduld.

Werden Bilder gefunden, der Nachweis des Beschaffens erbracht und ein Pädophiler tatsächlich verurteilt, ist das zumindest ein kleines Erfolgserlebnis für die Beamten in Trier. Dabei wissen natürlich auch sie, dass sie zumeist nur "Konsumenten", nicht die wahren Produzenten der Kinderpornos ausfindig machen können. Die sitzen oft in Fernost oder in Russland, dort werden Kinder für die auch bei uns vertriebenen Bilder im Verborgenen gedemütigt und gequält. "

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