Drei Sekunden Zeit für Abbruch

DAUN/TRIER. Rund zwei Stunden haben Experten am Tag nach der Dauner Kirmes die Unglücks-Bungee-Kugel untersucht und Testläufe gemacht: Dabei wurden zwar keine technischen Mängel festgestellt, die Lücken im Sicherheitssystem der Anlage aber haben sich bestätigt.

Zunächst war die Vor-Ort-Untersuchung bereits für Mittwoch angesetzt. Wegen des Kirmes- und Markt-Trubels sowie des großen Medienaufgebots wurde die Überprüfung aber kurzerhand um einen Tag auf Donnerstagmorgen verschoben. Beteiligt waren Vertreter der Ermittlungs-, der Bau- und Gewerbeaufsichtsbehörden, der beauftragte Sachverständige, der Anwalt der Trauerfamilie sowie der Schausteller. "Ein konzentriertes Arbeiten wäre am Mittwoch einfach nicht möglich gewesen", begründete einer der Beteiligten die Termin-Verschiebung.Europaweite Warnung

Ernst Ludwig Barth, Betreiber des Fahrgeschäfts, führte die Funktionsweise des Geräts sowie den üblichen Ablauf einer "Fahrt" vor. Besonderes Augenmerk richteten die Ermittler auf das Gurtsystem sowie das Bedienpult. Ein Bediensteter, der während des Unglücks an der Kasse saß, zeigte, wie die Kugel ausgelöst wird: Eine Leuchtdioden-Skala zeigt an, wie hoch sich der Druck aufgebaut hat, der zum "Abschuss" der Kugel notwendig ist - von 0 über 25, 50 bis zu 100 Prozent. Ist die maximale Leistung erreicht, wird die Kugel durch gleichzeitiges Drücken zweier Knöpfe ausgelöst. Da die beiden Knöpfe etwa 30 Zentimeter auseinander liegen, muss der Bediener dafür beide Hände benutzen. So soll ein versehentliches Auslösen verhindert werden.

Sind beide Knöpfe gedrückt worden, besteht noch eine Möglichkeit, den Start der Kugel zu verhindern: Wird der große Notfall-Knopf am Kopf des Bedienpults binnen der nächsten drei Sekunden gedrückt, wird der Magnet, der die Kugel hält, nicht deaktiviert. Die Kugel bleibt am Boden, das Startsignal ist unwirksam. Ist die Kugel aber bereits gestartet, ist eine Unterbrechung nicht mehr möglich. Beim Test hat die Notfall-Unterbrechung funktioniert.

Auch das mehrmalige Auslösen der beim Testlauf mit Sandsäcken beladenen Kugel hat einwandfrei funktioniert. Dennoch: Experten und Ermittler sehen das größte Problem in der Tatsache, dass die Metallkugel auch bei nicht verschlossenem Gurtsystem gestartet werden kann. "Das darf doch nicht sein", meint etwa Triers Chef-Staatsanwalt Horst Roos.

Genauso sieht es das staatliche Gewerbeaufsichtsamt in Trier. Die Behörde hatte schon am Unglückstag für den "Sling-Shot" ein vorläufiges Betriebsverbot verhängt. Gestern Abend wurde die Entscheidung noch einmal verschärft. "Das Gerät ist stillgelegt und wird nicht mehr in Betrieb genommen", sagte Doris Fasbender-Döring, Sprecherin des Mainzer Arbeitsministeriums, dem TV . Dem Arbeitsministerium unterstehen die Gewerbeaufsichtsämter im Land.

Laut Fasbender-Döring muss das Unglücks-Katapult vor einer neuen Betriebsgenehmigung nachgerüstet werden. Wie beispielsweise eine Berg-und-Tal-Bahn soll die Anlage künftig nur dann gestartet werden können, wenn alle Insassen die Sicherheitsgurte angelegt haben. Weil dies derzeit nicht der Fall ist, kam es zu dem tragischen Unfall von Daun.

Möglicherweise müssen nach der jüngsten Entscheidung der rheinland-pfälzischen Aufsichtsbehörden sogar alle baugleichen Bungee-Katapulte in Europa nachgerüstet werden. Über ein europaweites Warnsystem für Geräte- und Produktsicherheit werden nach Angaben der Sprecherin sämtliche Genehmigungsstellen über die Sicherheitsmängel informiert - "speziell die österreichischen Behörden, weil dort die ,Sling-Shot'-Herstellerfirma ihren Sitz hat", sagt Fasbender-Döring.

Derweil fokussieren sich die Ermittlungen der Trierer Staatsanwaltschaft auf den 23-jährigen Schausteller, der vermutlich durch eigene Unachtsamkeit das Unglück ausgelöst hat. Laut Chef-Staatsanwalt Horst Roos war der seit Frühjahr bei der Firma Barth angestellte junge Mann am Dienstagnachmittag nicht nur verantwortlich für das "Sling-Shot"-Bedienpult, sondern auch für das Angurten der Fahrgäste. In der Vernehmung hatte der aus Norddeutschland stammende Arbeiter gesagt, er sei davon ausgegangen, dass seine beiden Kollegen die Mädchen angeschnallt hätten. Ein fataler Irrtum, wie sich herausstellte.

Obduktion ergibt: Schülerin sofort tot

Alle drei Männer sollen laut Roos in den nächsten Tagen erneut vernommen werden. Ein Ermittlungsverfahren wegen möglicher fahrlässiger Tötung laufe derzeit aber nur gegen den 23-Jährigen. Bei dem bislang nicht vorbestraften Mann wurde nach dem Unglück ein Alkohol- und Drogentest gemacht. Das Ergebnis steht laut Roos zwar noch aus, doch gebe es keine Anzeichen auf ein positives Ergebnis.

Die gestrige Obduktion des bei dem Unglück ums Leben gekommenen 14-jährigen Mädchens brachte keine überraschenden Erkenntnisse. Laut Roos war die Schülerin sofort tot.

Die detaillierten Ergebnisse der technischen Überprüfung werden nach Auskunft des Gutachters in drei bis vier Wochen vorliegen.

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