Eifelschreck statt Wunderwaffe

PANTENBURG/BITBURG. Ein neues Buch über die Anwendung und Wirkung der Nazi-"Wunderwaffe" V 1 in der Eifel haben die Autoren Detlev Paul und Wolfgang Gückelhorn in Patenburg (Kreis Bernkastel-Wittlich) vorgestellt. Es enthält auch viele anschauliche Berichte von Augenzeugen.

 Josef Hayer, der die Abschüsse der V 1 selbst miterlebte, hat viele Teile der Flugbombe gesammelt. Er präsentierte die Stücke den Gästen bei der Buchvorstellung.Foto: Helmut Gassen

Josef Hayer, der die Abschüsse der V 1 selbst miterlebte, hat viele Teile der Flugbombe gesammelt. Er präsentierte die Stücke den Gästen bei der Buchvorstellung.Foto: Helmut Gassen

Oktober 1944: Der Krieg ist für Nazi-Deutschland aussichtslos. Die Alliierten sind nach der Landung in der Normandie vom Westen her auf dem Vormarsch. Die Luftherrschaft über Deutschland hat die Luftwaffe längst an die Royal Air Force (RAF) und die U.S. Air Force verloren. Vom Osten her kommen die Russen. In dieser Situation sieht Hitler im Einsatz der so genannten "Wunderwaffen" die letzte Möglichkeit, dem Feind Verluste beizubringen.Eigentlich hieß die Waffe "Flugbombe Fieseler 103". Ihr militärischer Name lautete FZG 76 (Flak-Ziel-Gerät 76). Bekannt wurde sie aber als Vergeltungswaffe Nummer 1, abgekürzt V 1. Die Nazipropaganda feierte die neue Waffe euphorisch als rüstungspolitische Überlegenheit, bezeichnte sie als "Höllenhunde" und "feurige Kometen am Himmel", die dem Feind schweren Schaden zufügt. Für die Menschen in der Eifel war sie der "Eifelschreck", der Tod und Verderben brachte. Denn die Technik der V 1 war nicht ausgereift und wurde bei der Herstellung sabotiert. Das war auch der Grund für die sogenannten "Kreisläufer" oder Irrläufer, die über die Köpfe der Menschen flogen.

Vier Todesopfer allein in Eckfeld

Der heute 74-jährige Josef Hayer aus Schladt beschrieb in seinem Tagebuch als 14-jähriger die V 1 Abschüsse in der Nähe. "Am Morgen des 24. Oktober 1944 kam die erste V 1 aus dem Grünewald mit furchtbarem Radau und direktem Kurs auf unser Haus angeflogen", berichtet Hayer. Nachdem die V 1 zuerst von Frankreich aus in Richtung England abgeschossen wurde, begann am 21. Oktober aus der Feuerstellung Büchel der Einsatz aus der Eifel. Die Ziele waren Antwerpen, Brüssel und Lüttich. Bei Alflen, Brockscheid, Bongard, Büchel, Eckfeld, Heyroth, Greimerath, am Nürburgring, Gillenbeuren, Urschmitt und Wallscheid lagen die Feuerstellungen. Die brummig, feurig pulsierenden fliegenden Bomben bestimmten das Leben der Bürger in der Region. Josef Hayers Tagebucheintrag vom 6. November: "In der Nacht stürzte nahe beim Dorf eine V 1 ab und explodierte. Viele Fensterscheiben sind zerbrochen." Doch nicht immer ging es so glimpflich ab. In Eckfeld waren im Frühjahr 1945 durch Frühabstürze vier Tote zu beklagen: zwei Schalkenmehrener Jungen, ein älterer Mann und ein Angehöriger des deutschen Sprengkommandos.

Ursache für die Todesfälle war der Umstand, dass viele V 1 nicht sofort nach der Bruchlandung explodierten. Die Zünder waren noch scharf und lagen überall herum. "Der ältere Mann und die Jungen haben die Zünder angefasst. Dann sind sie explodiert", berichtet Heinz Feilen aus Eckfeld, der damals 15 Jahre alt war. "Für uns Jugendliche waren die Sachen, die herum lagen, ein Erlebnis", gibt er zu.

Auch in Sarmersbach bei Daun bekamen die Bewohner die Bomben viel zu nahe zu sehen. "Die V 1 flog so niedrig, dass wir Angst hatten, sie würde die Dächer streifen und bei uns niedergehen. Sie machte einen Höllenlärm. So einen unerträglichen Krach hatten wir noch nie gehört. Die Flamme, die aus ihrem Heck schlug, war doppelt so lang wie die Bombe. Wir waren froh, wenn feindliche Flieger kamen, um die V 1 zu beschießen, damit das beängstigende Getöse eine Zeitlang aufhörte", schildert die heute 79- jährige Regina Kaspers ihre Erlebnisse.

"Militärisch gesehen war die V 1 im Zweiten Weltkrieg ein Flop, aber für die Nachkriegszeit war sie eine Weg weisende Entwicklung", sagt Buchautor Wolfgang Gückelhorn.

Das 206 Seiten starke Buch "V 1 - Eifelschreck" von Detlev Paul und Wolfgang Gückelhorn mit vielen Erklärungen und Fotos ist im Helios Verlag erschienen und für 32,50 Euro im Buchhandel erhältlich.

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