Ein Aktenzeichen und Millionen Rindviecher

TRIER. Wegen angeblich fehlerhafter BSE-Tests will das Land der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) 28 000 Euro zahlen. Doch die BLE möchte das Geld nicht vom Land, sondern vom Wittlicher Schlachthof Simon.

Paul Simon versteht die Welt nicht mehr. Der Wittlicher Schlachthofbesitzer soll der zum Bundesverbraucherschutzministerium gehörenden Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) exakt 28 049,92 Euro überweisen. Weil Simon das nicht einsieht, hat die Angelegenheit jetzt ein Aktenzeichen (6/K 363/02) und ist beim Trierer Verwaltungsgericht anhängig. Die Angelegenheit liegt rund ein Jahr zurück und hat mit Rindviechern zu tun. Von denen gab's in Europa seinerzeit zu viele weil wegen der BSE-Krise den meisten der Appetit auf Rindfleisch vergangen war. Gottlob gab es da noch den Rettungsanker EU-Kommission. Die hatte bereits ein Jahr zuvor zwei Millionen "überzählige" Rinder "vom Markt genommen" und erklärte sich nun abermals zu einer "Sonderankaufsregelung" bereit. Wieder sollten um den BSE-gebeutelten Markt zu stabilisieren europaweit zwei Millionen Rinder dran glauben, 400 000 davon allein in Deutschland. 70 Prozent der Kosten wollte die EU tragen, den Rest das jeweilige Mitgliedsland. Zuständig für den Rindfleisch-Aufkauf in Deutschland: die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Die in Frankfurt angesiedelte Behörde kaufte unter anderem auch beim Wittlicher Schlachthof Simon ein: Rindfleisch, das zuvor auf BSE getestet worden war. An dieser Stelle beginnt die Angelegenheit, aus der später ein Aktenzeichen beim Trierer Verwaltungsgericht wurde. Laut Firmenchef Paul Simon wurde dem Schlachthof "per Ordre de Mufti" vom Land vorgeschrieben, wo er sein Rindfleisch zu testen hatte beim Institut Kuhlmann in Ludwigshafen. "Völliger Quatsch", meint Simon noch heute. Er habe bis dahin mit einem Labor in Hamburg zusammengearbeitet, "das war deutlich preiswerter als Ludwigshafen und zuverlässig". Das Land aber schwor auf einheimische Labors, bis es Anfang 2002 plötzlich vor ihnen warnte. Weil die beiden rheinland-pfälzischen Institute Kuhlmann und IKFE (Mainz) angeblich nicht zuverlässig kontrollierten, entzog ihnen Umweltministerin Margit Conrad (SPD) die Zulassung für BSE-Tests. Das trieb die Laborbesitzer auf die Barrikaden, und brachte die BLE offenbar auf eine Idee: Wenn in Wittlich und anderswo nicht ordnungsgemäß getestet wurde, hätten wir das Rindfleisch auch nicht bezahlen müssen. Also informierte das BLE seine Rechtsabteilung, die nun von Paul Simon und vier anderen Betrieben insgesamt 1,5 Millionen Euro zurück erstattet haben will. Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder Rückgewähr des Kaufpreises, heißt das im Juristendeutsch. Obwohl der Betrag im Fall Paul Simon mit 28 000 Euro im Vergleich zur Gesamtforderung nicht besonders hoch ist, denkt der Wittlicher Unternehmer nicht im Traum daran zu zahlen. "Wir sind schließlich nicht schuld, dass wir statt des Hamburger Labors plötzlich zur Konkurrenz in Ludwigshafen wechseln mussten", sagt Simon. Dieser Logik hat sich nach Angaben seiner Sprecherin Stefanie Mittenzwei auch das Mainzer Umweltministerium angeschlossen, und Simon signalisiert, "dass wir das zahlen". "Verfahren völlig überflüssig"

Das wiederum scheint das BLE nur wenig zu interessieren. "Wenn unsere Forderungen erfüllt sind, prozessieren wir nicht weiter", versucht BLE-Sprecherin Angelika Pfitzinger das nur schwer Verständliche zu erklären. Paul Simon ist derweil stinkesauer und spricht von einem "völlig überflüssigen Verfahren" weil sich zwei Behörden nicht einigen könnten. "Die Kosten", findet Paul Simon, "werden dadurch immer höher." Bleiben viele offene Fragen, etwa die, ob sich das Land, wenn es denn mal gezahlt habe sollte, das Geld womöglich von dem angeblich einst schlampig testenden Labor zurückholen will. Eine Antwort darauf kann aber auch die Sprecherin des Umweltministeriums, das damals Kuhlmann die BSE-Lizenz entzogen hat, nicht geben. Kuhlmann selbst schweigt ebenfalls. Offen ist auch noch eine Antwort auf die Frage, wann der ursprünglich für Ende Januar anberaumte und dann verlegte Prozess vor dem Trierer Verwaltungsgericht nun stattfinden wird. "Irgendwann im März", meint die Richterin. Es sei denn, es gebe bis dahin eine Einigung. Danach aber sieht es zur Zeit nicht aus.

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