Ein Mädchen, das leidet

BITBURG. Nächste Runde im Prozess gegen den 69-jährigen Bad Kreuznacher Kommunalpolitiker Franz Enders vor dem Bitburger Amtsgericht. Gestern sagte seine 15-jährige Enkelin unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegen ihn aus. Sie beschuldigt ihn weiterhin, sie vor vier Jahren sexuell berührt zu haben.

Das Mädchen, das hinter seinem Vater in den großen Saal des Amtsgerichts Bitburg kommt, ist bleich. Sie trägt den schweren Alu-Koffer des Vaters. Die 15-Jährige wirkt nervös, setzt sich kurz neben ihren Freund in die erste Reihe, steht dann schnell auf und setzt sich direkt an den Zeugentisch, obwohl die Verhandlung noch nicht begonnen hat. Unruhig zupft sie an ihrer karierten Jacke, öffnet ihren Schal. Sie schaut nur nach vorne, ihren Opa links auf der Anklagebank würdigt sie keines Blickes. Ebenso wenig ihre Oma, die hinter ihr sitzt und wie bei den anderen Verhandlungstagen mit den Tränen kämpft. Die Gymnasiastin leidet. Zum zweiten Mal muss sie vor Gericht aussagen, dass ihr Großvater sie vor fast vier Jahren sexuell berührt haben soll. Sechs Mal hat sie seitdem bereits offiziell darüber gesprochen: bei ihrer Lehrerin, zwei Jahre später bei der Polizei, beim Jugendamt, bei einer Psychiaterin und vor Gericht. Und noch immer ist nicht abzusehen, wann ihr Leidensweg zu Ende sein wird, wie oft sie ihre Geschichte noch erzählen muss. Geht es nach dem Verteidiger ihres Opas, dem Aschaffenburger Christoph Jahrsdörfer, zieht sich der Prozess, der bereits im Juli begonnen hat, weiter in die Länge. Er will weitere Zeugen laden, die belegen sollen, dass die 15-Jährige lügt, dass sie von ihrem Vater instrumentalisiert worden ist für einen privaten Rachefeldzug gegen seinen mittlerweile verhassten Schwiegervater. Doch Richter Werner von Schichau und Staatsanwalt Stephane Parent lehnen eine weitere "ausufernde Prozessführung" ab. Das Mädchen leidet sicherlich auch darunter, dass seine Mutter ihm nicht glaubt. Die 42-jährige Tochter von Franz Enders hat sich vorbehaltlos auf die Seite ihres Vaters geschlagen, ihre Tochter habe eine "blühende Phantasie", sagt sie vor Gericht. Sie hat keinen Kontakt mehr zu ihr, der zehnjährige Sohn lebt bei ihr in Hackenheim in der Nähe von Enders, das Mädchen beim Vater in der Eifel. Vor dem Gerichtssaal schauen sich Mutter und Tochter nicht an. Um die Glaubwürdigkeit der 15-Jährigen in Frage zu stellen, wird sogar ein 19-Jähriger präsentiert, der behauptet, vor zwei Jahren mit dem Mädchen geschlafen zu haben. Nur um zu beweisen, dass sie lügt und nicht, wie sie sagt, seit der angeblichen Tat Berührungsängste hat. Wegen dieser Aussage ist ein Glaubwürdigkeitsgutachten der 15-Jährigen in Auftrag gegeben worden. Gegen den jungen Mann läuft mittlerweile ein Strafverfahren, weil das Mädchen bei dem angeblichen Schäferstündchen erst 13 Jahre alt gewesen ist. Vergangene Woche hat der 19-Jährige auf Anraten seines Anwalts Christoph Jahrsdörfer (!) geschwiegen. Auch bei der zweiten, knapp dreistündigen Aussage unter Ausschluss der Öffentlichkeit und des Angeklagten wiederholt die 15-Jährige ihre Anschuldigungen. Ihre Lehrerin, eine Polizistin und eine Psychiaterin haben vor Gericht ihre Glaubwürdigkeit bestätigt. Auch das Gutachten soll angeblich für das Mädchen sprechen. Der Prozess wird am 3. Januar fortgesetzt .

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