Einleitungen, Strahlungen, Grenzwerte

TRIER. Wie groß ist die Gefahr, die künftig vom Atomkraftwerk Cattenom ausgehen wird, tatsächlich? Darüber wird derzeit heftig diskutiert. Für die Grünen ist klar: Die Bevölkerung wird unnötig gefährdet.

Die Betreiber des Atommeilers von Cattenom, der französische Energieriese EDF, beschwichtigt: Die Menge der freigesetzten radiokativen Stoffe stelle "keine Gefahrenschwelle für die öffentliche Gesundheit dar", heißt es in den Unterlagen, die derzeit in Orten rund um Cattenom auf französischer Seite ausgelegt werden. Von offizieller Seite, sprich den Umweltministerien in Saarbrücken und Mainz, gibt es bislang noch immer keine detaillierte Beurteilung der Pläne. Die sehen vor, dass die Abbrandrate der Nuklearbrennstäbe erhöht wird und dadurch die Einleitungen radioaktiven Tritiums höher, die anderer radioaktiven Stoffe wie etwa Cäsium deutlich niedriger werden. Gleichzeitig sollen mehr Schwermetalle wie die ätzende Borsäure oder das krebserregende Hydrazinhydrat in die Mosel eingeleitet werden. Bei allen Stoffen handelt es sich um Abfall, der beim Abbrennen der Brennstäbe entsteht und mit dem nicht verdampften Kühlwasser in die Mosel fließt - pro Sekunde laut EDF 5,8 Kubikmeter. Während die Grünen zusammen mit der luxemburgischen Umweltorganisation Mouvement Ecologique beim Darmstädter Öko-Institut ein Gutachten in Auftrag gegeben haben, der Kreis Trier-Saarburg die zur Verfügung stehenden Pläne vom Chef des Trierer Gesundheitsamtes Harald Michels hat prüfen lassen, heißt es im Mainzer Umweltministerium lediglich: "Wir wollen so schnell wie möglich eine fundierte Stellungnahme abgeben." Man wolle sich natürlich nicht "ewig Zeit" lassen, aber um die vier Aktenordner, die die in Französisch verfassten Pläne umfassen und die seit Anfang Juli in Mainz vorliegen, zu durchforsten, bedürfe es dem Wälzen von Fachliteratur. Andere Experten scheinen da schneller zu sein. Der Diplom-Physiker Christian Küppers vom Öko-Institut, der die Stellungnahme zu den Cattenom-Plänen für die Grünen im Europa-Parlament verfasst hat, kommt zu dem Schluss: Nicht die erhöhten Tritium-Werte stellen die Gefahr da, sondern die anderen radiokativen Einleitungen. "Die Strahlenbelastung von Personen rührt eher von diesen Radionukliden als vom Tritium her." Auch wenn die Kraftwerksbetreiber eine Reduzierung dieser Stoffe zusagen, könnten diese laut Küppers durch den Einsatz moderner Technik, wie etwa eines Ionen-Austauschers, komplett aus dem Abwasser entfernt werden. Eine Minimierung von möglichen Strahlenbelastungen der Bevölkerung sei auf jeden Fall erforderlich, schlussfolgert Küppers und verweist darauf, dass die tatsächlichen Abwasser-Ableitungen in den vergangenen zehn Jahren zwar deutlich reduziert worden sind, sie aber 16 Mal höher als die durchschnittlicher Einleitungen deutscher Kernkraftwerke seien. Auch für den Leiter des Trierer Gesundheitsamts, Harald Michels, geht von den Einleitungen in Cattenom eindeutig eine Gefahr für die Bevölkerung aus. Aber auch für ihn ist weniger das Tritium eine Bedrohung. Das baue sich relativ schnell ab und könnte nur dann zur wirklichen Gefahr werden, wenn man täglich große Mengen (über ein Kilo) Moselfisch oder Gemüse, das mit Moselwasser gegossen wurde, verzehren würde. Auch andere radioaktiven Stoffe seien nicht unmittelbar gesundheitsgefährdend, wenngleich ihre Einleitung dringend reduziert werden müsse. Für Michels stellt das Hydrazinhydrat eine große Gefahr da. Laut EDF wurde 2000 weniger als 8,3 Kilogramm davon in die Mosel geleitet. Trotzdem fordert Michels: Die Einleitungen müssen genau wie bei den anderen Chemikalien reduziert werden.

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