Einzelkämpfer, Kameraden, Mädchen für alles

TRIER. Einzelkämpfer beim Bund oder Mädchen für alles im Krankenhaus - das Klischee sitzt fest in den Köpfen, aber die Realität von Wehr- und Zivildienst sieht anders aus. Teamgeist prägt die Arbeit bei der hoch technisierten Bundeswehr, Zivildienstleistende kommen in allen Bereichen des sozialen Systems zum Einsatz.

 Begeistert vom "Bund": Thomas Weber und Thomas Olbert, Grundwehrdienstleistende in Trier. Fotos: Wolfgang Lenders

Begeistert vom "Bund": Thomas Weber und Thomas Olbert, Grundwehrdienstleistende in Trier. Fotos: Wolfgang Lenders

Der 18. Geburtstag ist gefeiert, die erste Flasche Schnaps geleert und der Führerschein in der Tasche - und irgendwann flattert ein Schreiben zur "Wehrerfassung" ins Haus. Spätestens dann stellt sich für die meisten jungen Männer die Frage, ob sie neun Monate zur Bundeswehr oder zehn Monate Zivildienst leisten wollen. Nach dem Grundgesetz ist klar: Nur wer es nicht mir seinem Gewissen vereinbaren kann, im Krieg eingesetzt zu werden, darf verweigern. In der Praxis entscheiden sich aber viele aus ganz anderen Gründen, nicht in die Kaserne zu gehen. Wer zum Bund will, kann den Lauf der Dinge abwarten. Nach der Musterung folgt eine Eignungsuntersuchung (EUF), danach die Einberufung. "Bei der Musterung überprüfen wir die Verwendungsfähigkeit", erklärt Gustaf Pelzl, stellvertretender Leiter des Trierer Kreiswehrersatzamts. Bei der EUF soll ein Computertest klären, wo der Rekrut eingesetzt werden kann. Wenn jemand Berufserfahrung oder andere besondere Fertigkeiten mitbringt, sollte er sie zu Protokoll geben. Wer bei der Bundeswehr Karriere machen will, kann sich beim Wehrdienstberater informieren. Nur wer sich für einen längeren Zeitraum verpflichtet, kann eine Offizierslaufbahn einschlagen. Trotzdem steht auch den Rekruten eine Vielzahl von Arbeitsfeldern offen. "Wehrpflichtige werden in allen Organisationsbereichen eingesetzt", sagt Alfons Ganz, Wehrdienstberater in Trier. "Sie haben nur keine Chance, eine Karriere zu machen." Thomas Weber aus Speicher und Thomas Olbert aus Trier, beide 21, leisten ihren Grundwehrdienst in der Jägerkaserne in Trier. Beide arbeiten im Büro. "Für mich war von vorne herein klar, dass ich zur Bundeswehr gehe", sagt Olbert. Um in Trier bleiben zu können, hat er seinen Grundwehrdienst freiwillig auf 21 Monate verlängern lassen, 19 davon bereits abgeleistet. Sechs Monate lang war er bei der Sfor in Bosnien-Herzegowina - eine Zeit, die er nicht missen möchte. "Wir waren sehr nah an der Bevölkerung dran", berichtet er. "Das war eine wertvolle Erfahrung für mich." Auch Weber hat sich für einen verlängerten Grundwehrdienst entschieden, allerdings erst während der Dienstzeit. Er habe früher auch mit dem Gedanken gespielt, zu verweigern, meint er. "Ich bin aber von der Bundeswehr positiv überrascht." Gerade in der Grundausbildung habe er sehr gute Kameradschaft erlebt. "Ich habe keinen gekannt, und nach ein paar Tagen war guter Zusammenhalt da", erinnert er sich. Der Industriekaufmann ist in der Personalabteilung der Kaserne eingesetzt. Im Oktober will er ein Studium beginnen, wahrscheinlich BWL. "Eine Arbeitsstelle zur Überbrückung von vier bis fünf Monaten zu finden, ist gar nicht so einfach", sagt er. "Mir gefällt es hier, deswegen habe ich verlängert." Nicht alle sind so begeistert vom Militär wie die beiden. Wer von seinem im Grundgesetz garantierten Recht auf Kriegsdienstverweigerung Gebrauch machen will, muss einen schriftlichen Antrag stellen. "Am besten ist es, ihn zur Musterung mitzubringen", rät Hans Wax von der Beratungsstelle für Kriegsdienstverweigerung des Bistums Trier. Der Antrag besteht aus einer schriftlichen Begründung, einem ausformulierten Lebenslauf und einem Führungszeugnis. "Die Begründung sollte nicht kürzer als zwei Seiten sein", empfiehlt Wax. "Allgemeine Vorbehalte gegen die Bundeswehr reichen nicht, der Verweigerer muss sich mit der Frage, was Töten für ihn bedeutet, auseinandergesetzt haben." Die Begründung solle sich auf die persönliche Entwicklung beziehen und darlegen, wie der Antragsteller zu seiner Auffassung gekommen ist. Neben dem schriftlichen Weg zur Verweigerung, den die meisten gehen, gibt es auch ein mündliches Verfahren. Dem muss sich stellen, wer seinen Antrag zu spät eingereicht hat oder wer bereits bei der Bundeswehr dient. Patrick Orth aus Mertesdorf, 19 und Sascha Hilt aus Konz, 20, haben sich für Zivildienst entschieden. Beim Deutschen Roten Kreuz in Trier fahren die beiden Essen auf Rädern aus. "Ich kann es mir nicht vorstellen, zur Bundeswehr zu gehen", sagt Orth. "Zivildienst liegt mir einfach besser." Bekräftigt in seiner Entscheidung habe ihn, dass er von anderen Zivildienstleistenden Gutes gehört habe. "Ich wollte zu Essen auf Rädern", erzählt er. "Im Wesentlichen ist die Arbeit hier so, wie ich sie mir vorgestellt habe." Orth hat nach dem schriftlichen Verfahren verweigert. "Ich wäre aber auch durch das mündliche gegangen", meint er. Auch Hilt hat sich seine Zivildienststelle selber gesucht. "Ich hatte keine Lust auf Bundeswehr", gibt er offen zu. "Zivildienst ist einfach lockerer." Einen der Vorteile sieht er darin, dass er in der Heimat bleiben kann. Hilt: "Bei der Bundeswehr kann es ja passieren, dass man weiter weg muss. So kann ich auch mal ein bisschen was mit meinen Freunden unternehmen."

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