Es geht auch ohne Supernanny

TRIER. Kinderschutzbund: Schon der Begriff legt nahe, dass es in der Regel um Kinder und Familien in sehr kritischen Situationen geht. Aber zum Angebot in Trier gehört auch die Hilfe und Beratung bei ganz alltäglichen Problemen "normaler" Durchschnittsfamilien. Zum Beispiel in den Kursen "Starke Eltern – starke Kinder".

Manchmal ist es ganz einfach, gewohnte Sichtweisen aufzubrechen. Zu den Standard-"Übungen" in den Elternkursen von Friederike Jörg gehört es beispielsweise, dass Mütter oder Väter im Rollenspiel die Rolle ihrer Kinder übernehmen. "Das hält einem den Spiegel vor", sagt Manuela Schneider (alle Eltern-Namen geändert), "und manchmal erschreckt man schon ein bisschen vor sich selbst." Pubertät, Schulsorgen und Geschwisterknatsch

Auch Claudia Franken hat ihre Lehren aus dem kleinen Rollentausch gezogen. "Ich habe gemerkt, wie gerne ich immer überall mit dem Senftöpfchen durch die Gegend renne", sagt sie und lacht. Statt zu allem, was die Kinder tun, ihren Senf zu geben, lernt sie nun, "aktiv zuzuhören". Es geht meistens nicht um die ganz großen Probleme bei den vier Elternkursen, die der Kinderschutzbund pro Jahr anbietet. Etwa ein Drittel der Eltern, schätzt Kursleiterin Birgitt Ziegelmayer, wollen sich einfach nur besser "qualifizieren" für den gar nicht so leichten Job eines Vaters oder einer Mutter. Bei den anderen gehören die Probleme zum Alltag der meisten Familien: Pubertät, Schulsorgen, Geschwisterknatsch. Wer hierher kommt, verfügt in der Regel über Problembewusstsein - "die, die es am nötigsten hätten, kommen leider selten", sagt Ziegelmayer. "Wir bieten keine Therapie", grenzt ihre Kollegin Friederike Jörg die "Starke Eltern - starke Kinder"-Kurse gegen andere Hilfsangebote des KSB ab. Wer hier teilnimmt, erhält keine psychologische Einzelfallberatung - er soll lernen, gelassener mit Problemen umzugehen, die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern und Konfliktlösungsstrategien zu entwickeln. "Ich wollte lernen, nicht so leicht in die Luft zu gehen", erzählt Claudia Franken. Die 42-Jährige ist berufstätig und Mutter einen fünfjährigen Tochter. "Es hat sich gelohnt", sagt sie, und das nicht nur, "weil man sich die ganzen Ratgeber spart". An Ratgebern, erbetenen wie unerbetenen, fehlt es tatsächlich nicht, wenn es um Kindererziehung geht. Verwandte und Freunde, Bücher und Fernseh-Ratgeber: Jeder weiß, wie es angeblich gehen soll. "Das Supernanny-Syndrom" nennt Friederike Jörg dieses Phänomen: "Die Leute glauben, es gäbe für jede Situation ein Patentrezept." Der KSB arbeitet genau mit dem gegenteiligen Konzept: "Wir sagen den Eltern nicht von außen, wie es geht, wir sagen ihnen, wie sie sich ändern können.""Aber Mama, du bist doch schon stark"

Sie habe "in dem Kurs ganz viel über sich gelernt", sagt beispielsweise Manuela Schneider. Sie hat eine neunjährige Tochter und Zwillings-Jungs von acht Jahren. "Jedes meiner Kinder ist anders, erfordert also völlig andere Umgangsweisen", erzählt sie. Keine einfache Aufgabe. Die Abende beim Kinderschutzbund seien für sie "wie eine Befreiung" gewesen. Zu merken, dass "man nicht alleine ist und andere auch Fehler machen" sei ebenso wichtig gewesen wie das Lernen einfacher Strategien für den Alltag. "Vorher agieren, um nicht in Druck-Situationen zu geraten": Das ist eine der Konsequenzen, die sie gezogen hat. Was Manuela Schneider geholfen hat, war die uneingeschränkte Unterstützung ihres Mannes. Nicht immer sind Väter derart kooperativ, wie schon die Teilnahme an den Kursen zeigt. "Ein, zwei Männer pro Runde" zählt Friederike Jörg, unterm Strich also gute zehn Prozent. Aber die Partner von Manuela und Claudia konnten wenigstens zu Hause den praktischen Nutzen der "Fortbildung" erleben: "Verträge", die mit den Kindern abgeschlossen wurden, "Sprechsteine", die familiäre Dialoge organisieren helfen, Vereinbarungen über Fernseh-Zeiten. "Man kann ein Stück weit lernen, Eltern zu sein", sagt Manuela Schneider. Weil das Kurs-Angebot sich selbst finanzieren muss, kostet die Teilnahme an den zwölf Abenden 100 Euro. Manche Eltern haben Mühe, so viel Geld aufzubringen. In Notfällen springt schon mal der Kinderschutzbund ein. "Am Geld soll es nicht scheitern", sagt Friederike Jörg. Aber die Möglichkeiten sind begrenzt, ebenso wie das Raumangebot. Ein Kinderschutz-Haus wie "Meine Burg" würde bessere Voraussetzungen schaffen. Zum Beispiel für den Großeltern-Kurs, der im kommenden Jahr das Programm ergänzen soll. Vielleicht geht es dann noch mehr Menschen so wie Manuela Schneider: Als die ihren Kindern sagte, dass sie zu einem Nachtreffen der "Starke Eltern - starke Kinder"-Gruppe fahren wollte, lautete die Antwort: "Aber Mama, du bist doch schon stark."

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