Es waren zwei Königskinder…

TRIER. Weniger Stellen, gekürzte Zuschüsse - die Bundesregierung hat den Zivildienst als Sparmöglichkeit entdeckt. Doch mit diesen akuten Problemen nicht genug: Mittelfristig fällt der Zivildienst ganz weg, wie Experten des Bistums Trier prophezeien. In einer Pressekonferenz am Montag wiesen sie auf ihre Probleme hin.

Simon Hassemer hatte alles so schön geplant: Abi im März, danachZivildienst, in einem Jahr sollte es dann an die Uni gehen. DieZivi-Stelle in der Wittlicher Einrichtung Maria Grünewald hatteer so gut wie in der Tasche. Ende Januar dann der Anruf: DasZentrum für behinderte Menschen sagt ab. Die Bundesregierunghatte beschlossen, 20 Prozent des Kontingents an Zivi-Stellen zusperren, und damit fiel Hassemers Stelle weg. Um zumSommersemester mit dem Studium zu beginnen, reicht dieVorbereitungszeit nun nicht mehr, und die Chancen, einen anderenPlatz als Zivi zu finden, sind gleich Null. Denn mit der Einführung von Kontingenten für Zivis im Jahr 2000 sank die Zahl der Einberufungen von 146 000 im Jahr 1999 auf 124 000, für 2003 waren schon vor der Sperrung nur 110 000 geplant. Gleichzeitig steigt die Zahl der Kriegsdienstverweigerer. 2002 waren es bundesweit erstmals mehr als 200 000 - in diesem Jahr rechnen Experten wegen des Irak-Konflikts mit einem neuen Rekord. Ein weiteres Problem: Der Staat will künftig statt 70 Prozent nur noch die Hälfte der Kosten für einen Zivildienstleistenden übernehmen. Ein entsprechendes Gesetz liegt derzeit dem Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat vor.

Die Folge dieser Politik mutet skurril an: Die Einrichtungen bräuchten dringend Zivis, die Kriegsdienstverweigerer suchen händeringend nach Stellen - doch sie kommen nicht zusammen. Das Kontingent für das Bistum Trier dürfte im kommenden Monat erschöpft sein, vermuten Peter Nilles und Hans Wax von derBistumsstelle für Zivildienstleistende. Wer dann noch keine Zivi-Stelle hat, muss mindestens bis zum Oktober warten. Dann beginnt das Kontingent für 2004. Allerdings wird es wieder deutlich weniger Stellen als Kriegsdienstverweigerer geben. "Wenn ein solcher Dienst gefordert wird, muss er so ausgestaltet sein, dass man ihn auch ableisten kann", fordert Wax. Die jungen Männer hätten keinerlei Planungssicherheit, weil sie nicht wüssten, wann und ob sie zum Zivildienst einberufen würden, kritisiert Nilles. Er fürchtet Nachteile auf dem Arbeitsmarkt: Arbeitgeber setzten oft einen abgeleisteten Zivildienst voraus. Die Bistumsstelle fordert deshalb alle Betroffenen zu Protesten in Mainz und Berlin auf.

Sauer ist man auch bei den Einrichtungen: "Das größte Problem ist die Kurzfristigkeit", klagt Rita Schneider-Zuche vom Diözesan-Caritasverband. Die Zivildienstleistenden waren fest eingeplant, die Haushalte längst verabschiedet, als die Bundesregierung Kontingentsperre und Zuschuss-Kürzungen bekannt gab. Die Sparpläne treffen soziale Einrichtungen unterschiedlich hart. Während man in Bereichen mit vielen Beschäftigten versuchen könne, den Ausfall der Zivis aufzufangen, müsste etwa bei den mobilen sozialen Diensten dringend Ersatz gefunden werden, sagt Detlev Böhm vom Regionalcaritasverband. "Einige Leistungsangebote müssen mit Sicherheit eingeschränkt werden", kündigt er an. Und: "Die Kosten werden steigen, wenn andere Mitarbeiter die Jobs der Zivis übernehmen."

Die Trierer Fachleute sorgen sich, dass sie eines Tages unvermittelt mit noch viel größeren Problemen konfrontiert seien könnten. "Mittelfristig muss man sich vom Zivildienst verabschieden", sagt Nilles, denn die Wehrpflicht habe keine Zukunft. "Wir fordern, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, bevor man einen solchen Einschnitt beschließt." Wax konkretisiert: "Wir brauchen mehr Transparenz und Infos darüber, wann ein Ausstieg geplant ist." Damit nicht eines Tages noch mehr junge Männer und soziale Einrichtungen so dastehen wie derzeit Simon Hassemer: "Alle meine Pläne sind über den Haufen geworfen. Ich befinde mich in einem absoluten Vakuum."

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