Etikettenschwindel verboten

Mainz/Trier · So manchem Lebensmittel oder Getränk wird eine gesundheitsfördernde Wirkung nachgesagt. Problematisch wird es allerdings, wenn die Hersteller damit offensiv werben. Das ist nur unter engen Voraussetzungen erlaubt.

Weintrinker leben gesünder, und sie leben länger als Abstinenzler, also jemand, der überhaupt keinen Alkohol trinkt. Diese und andere schlaue Weisheiten findet man im Internet auf der Seite des Forums "Wein und Gesundheit". Der 1995 von reichlich Prominenz gegründete Verein hat sich auf die Fahnen geschrieben, wissenschaftliche Forschung zu fördern, die die Auswirkung eines moderaten Weinkonsums auf den menschlichen Organismus untersucht. Und wohl auch zu dem Ergebnis kommt, dass ein Gläschen Wein am Abend noch niemandem geschadet hat.Verstoß gegen EU-Recht


Diese These vertritt auch der renommierte Trierer Internist Professor Bernd Krönig, der dem Verein vorsteht und gerne über das Thema "Gesund genießen mit Wein" referiert. Rechtlich ist das unproblematisch. Würde Krönig allerdings Wein abfüllen und die angeblich gesundheitsfördernde Wirkung des Getränks aufs Etikett schreiben, bekäme er ein Problem. Denn gesundheitsbezogene Aussagen haben auf alkoholischen Getränken nichts zu suchen, entschied vor zwei Jahren der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Ähnlich hatten in dem Rechtsstreit zuvor auch andere Gerichte geurteilt, darunter das Trierer Verwaltungsgericht.
Den Entscheidungen zugrunde lagen Klagen der Winzergenossenschaft Deutsches Weintor aus der Pfalz. Die Genossenschaft vermarktete ihre Weine der Rebsorten Dornfelder Grauer/Weißer Burgunder mit Begriffen wie "Edition mild bekömmlich", "sanfte Säure" oder "milder Genuss". Auf Etiketten ist zudem von einem "besonderen Schonverfahren zur biologischen Säurereduzierung" die Rede. Dies verstoße gegen europäisches Recht, das gesundheitsbezogene Angaben für alkoholische Getränke verbietet, entschied auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Aber nicht nur die Produzenten von alkoholischen Getränken müssen bei diesem Thema vorsichtig sein: Nach der Health-Claim-Verordnung der Europäischen Union dürfen Lebensmittelhersteller nur dann mit gesundheitsbezogenen Angaben werben, wenn wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass sie stimmen. Das gilt etwa für Angaben wie "stärkt die Abwehrkräfte", "cholesterinsenkend" oder "unterstützt die Gelenkfunktionen".
Die von der EU-Kommission erstellte Liste mit erlaubten Behauptungen umfasst derzeit mehr als 220 Aussagen.
Ist in einem Lebensmittel etwa eine bestimmte Menge Calcium enthalten, ist diese Aussage auf dem Etikett erlaubt: Calcium wird für die Erhaltung normaler Knochen benötigt. Oder: Calcium wird für die Erhaltung normaler Zähne benötigt. Nicht mehr erlaubt sind dagegen Werbeaussagen wie "Glucosamin für gesunde Knochen und Gelenke" oder "probiotische Joghurts wirken positiv auf das Immunsystem".Gemischte Gefühle



Der Mainzer Verbraucherschutzminister Jochen Hartloff (SPD) sieht die EU-Verordnung mit gemischten Gefühlen. "Sie ist Fluch und Segen", sagte Hartloff am Freitag bei einer Bilanzpressekonferenz des Landesuntersuchungsamts. Segen, weil die Lebensmittelkontrolleure nun wissenschaftlich nicht belegte Werbe- und Wirkungsbehauptungen auch beanstanden könnten. Fluch, weil die Hersteller weiter "ganz legal fragwürdige Produkte mit ebenso fragwürdigen Heilsversprechen" anbieten könnten.
Die Lebensmittelexpertin der rheinland-pfälzischen Verbraucherzentrale, Waltraud Fesser, fordert daher auch, Gesundheitsangaben bei der Lebensmittel-Werbung ganz zu verbieten. "Lebensmittel sind schließlich keine Arzneimittel", erläuterte Fesser im Gespräch mit unserer Zeitung.
Die Expertin geht davon aus, dass viele Hersteller ihren Spielraum jetzt ausloten werden. "Da werden wohl etliche Klagen kommen", sagt Fesser voraus.
Auch das Landesuntersuchungsamt hat im vergangenen Jahr Verstöße gegen die EU-Verordnung geahndet. 38 von 91 sogenannten Kennzeichnungsbeanstandungen bezogen sich auf nicht zulässige gesundheitsbezogene Angaben.

Die Health-Claim-Verordnung der EU finden Sie im Internet hier: http://www.health-claims-verordnung.de/resources/HCVO+Verordnung+EU+Nr.+432_2012.pdf

Extra

Der Pferdefleischskandal bestimmte im vergangenen Jahr wochenlang die Schlagzeilen. Europaweit wurde die Lebensmittelüberwachung auf Trab gehalten. Teilweise entdeckten die Experten vermeintliche Rindfleischprodukte, die bis zu 100 Prozent Pferdefleisch enthielten. 4,6 Prozent der europaweit gezogenen Rindfleischproben enthielten Pferdefleisch. Die 150 in Rheinland-Pfalz gezogenen Proben waren laut Landesuntersuchungsamt "pferdefleischfrei". Allerdings wurden in 30 Proben eines rheinland-pfälzischen Fertiggerichteherstellers bis zu 30 Prozent Schweinefleisch entdeckt - obwohl es sich angeblich um 100 Prozent Rind handelte. Ein Jahr nach dem Pferdefleischskandal sind EU-weit erneut Stichproben gezogen worden. Das Ergebnis: In "nur" 0,61 Prozent der Proben entdeckten die Prüfer Pferdefleisch. sey

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