Ex-Mitarbeiter beschuldigt Heimleitung

MAINZ. Das Einführung des Projektes "Heim statt U-Haft" stand nach Angaben von Sozial- und Justizministerium nicht unter Termindruck, der zu Lasten der Sicherheit ging. Konsequenzen aus gefährlichen Vorfällen in anderen Heimen wurden jedoch nicht gezogen.

Für das Projekt "Heim statt U-Haft" im pfälzischen Rodalben hatte Justizminister Herbert Mertin (FDP) mehr Sicherheitsstandards empfohlen als später umgesetzt wurden. So sei zum Beispiel ein Einschließen der jugendlichen Straftäter über Nacht aus pädagogischen Gründen abgelehnt worden, sagte Mertin vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages. "Wir hätten uns das ein oder andere mehr gewünscht", so Mertin, der sich letztlich jedoch mit den Sicherheitsvorkehrungen zufrieden gab, weil das Heim "nicht zum Untersuchungsgefängnis" werden sollte. Der Ausschuss will klären, ob es bei der Planung und Umsetzung des Projekts Versäumnisse gegeben hat. Bereits wenige Wochen nach dem Start hatten die drei ersten Teilnehmer im November 2003 eine 26-jährige Erzieherin erstochen und waren geflüchtet. Sie wurden kurze Zeit später unter anderem nahe Trier gefasst. Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) warf dem Heimträger vor, Vereinbarungen etwa über ein mobiles Telefon für die Nachtwache nicht umgesetzt zu haben. Die Mängel seien jedoch nicht ursächlich für den Tod der Mitarbeiterin gewesen. Mertin und Dreyer versicherten, dass es keinen Termindruck bei der Umsetzung des Projektes gegeben habe, der zu nachlässigen Sicherheitsvorkehrungen geführt hätte. Ein ehemaliger Mitarbeiter in Rodalben hatte zu Beginn der Zeugenvernehmung schwere Vorwürfe gegen die Heimleitung erhoben. Bedenken gegen das Konzept seien "abgekanzelt" worden, sagte der Sozialpädagoge, der nach vier Wochen wieder aus dem Dienst ausschied. Er hatte unter anderem auf die Fluchtgefahr hingewiesen. Starke Vorbehalte gegen die Aufnahme eines der Jugendlichen waren nach Angaben des Zeugen kein Thema mehr, nachdem das Justizministerium schriftlich mitgeteilt hatte, dass im Falle einer Nichtaufnahme das Projekt gefährdet sei. Der Sozialpädagoge hatte den Eindruck, dass das Projekt um jeden Preis durchgezogen werden sollte. Michael Weiss, Leiter eines ähnlichen Projektes in Baden-Württemberg, gab als Zeuge zu Protokoll, dass er bei einem Informationsbesuch rheinland-pfälzischer Ministerialbeamter vier Wochen vor dem Start in Rodalben von einer früheren Attacke auf eine seiner Heim-Mitarbeiterinnen berichtet habe. Weiss reagierte damals auf den Vorfall nach eigenen Worten mit einer doppelten Besetzung der Nachtwache. Diese Erfahrung wurde allerdings in Rodalben nicht aufgenommen. Die getötete Erzieherin war allein im Dienst. Eine Arbeitsgruppe, die nach dem tragischen Geschehen die Sicherheitsvorkehrungen untersuchte, rät unter anderem zur doppelten Besetzung bei Nacht. Mehrfach hat sich bisher in den Auschussvernehmungen gezeigt, dass sich die Justiz auf strengere Sicherheitsvorkehrungen einschließlich vergitterter Fenster beharrte, während das Sozialministerium vor allem auf ein pädagogisch ausgerichtetes Projekt setzte. Auch Experten kritisierten das Sicherheitskonzept und bemängelten, dass die Nachtaufsicht nicht doppelt besetzt und die Mobiltelefone nicht mit Alarmknopf ausgerüstet waren. Ausschussvorsitzender Reiner Marz (Grüne) hofft, die Beweisaufnahme bis Mitte Januar des kommenden Jahres abschließen zu können. Bis Mai könnte dann der Bericht des Untersuchungsausschusses vorliegen.

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