Experiment gelungen, Karte kommt

TRIER. Test der elektronischen Gesundheitskarte mit politischer Prominenz. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und ihre rheinland-pfälzische Kollegin Malu Dreyer ließen sich gestern im Trierer Brüderkrankenhaus den Stand des Projektes vorführen.

Ulla Schmidt (SPD) half ihrer rheinland-pfälzischen Kollegin und Parteifreundin aus der Patsche. Beim Fototermin musste Malu Dreyer passen. Ihre Gesundheitskarte hatte sie vergessen, Schmidt griff in die Jacke, zückte ihre persönliche Plastikkarte und hielt sie lachend in die Kameras. Auch ansonsten dürfte der Besuch der Bundesministerin in Trier vor allem der Unterstützung Dreyers gedient haben. Schließlich hat das Land knapp 800 000 Euro in das oft kritisierte Projekt gesteckt - und das lange, bevor klar war, dass die Region eine von acht Testgebieten im Bundesgebiet wird. Dabei ist es eher Ulla Schmidt, die im Fokus der Karten-Skeptiker steht. Sie muss sich dafür rechtfertigen, dass die Gesundheitskarte nicht - wie ursprünglich geplant - in diesem Jahr flächendeckend in Deutschland eingeführt werden kann. Wann alle 80 Millionen Versicherten in Deutschland die Gesundheitskarte mit Chip und Foto in der Hand halten, steht noch in den Sternen. Schuld daran, sagt Schmidt, seien die "Verweigerer im Gesundheitssystem". Jetzt soll sie erst mal in Testregionen wie Trier auf Herz und Nieren geprüft werden. Zunächst mit jeweils 10 000 Patienten. Davon ist Trier noch weit entfernt. 750 Versicherte nehmen bislang an dem Projekt teil, in 50 Arztpraxen und den beiden Trierer Kliniken Mutterhaus und Brüderkrankenhaus können sie die Karte anwenden. Im Herbst sollen es bereits jeweils 100 000 Testpersonen in den Projektregionen sein, danach soll die Karte nach und nach flächendeckend eingeführt werden. In den nächsten Tagen werden die größeren Kassen und privaten Versicherungen miteinsteigen und dann versuchen, ihren Mitgliedern die Vorteilen der Karte nahe zu bringen. Auch Ärzte müssen überzeugt werden: Bis zu 3000 Euro müssen sie für neue Technik auf den Tisch legen. Doch nicht nur der immer wieder verschobene Starttermin ist ungewiss. Auch die Kosten für das Projekt laufen offenbar aus dem Ruder. Aus den zu Beginn geplanten 1,4 Milliarden Euro sind mittlerweile mindestens 1,7 Milliarden Euro geworden. Die privaten Versicherer rechnen sogar eher mit dem Doppelten. Zahlen sollen dies die Kassen. Das würde bedeuten, dass die Beiträge allein wegen der Gesundheitskarte um 0,4 Prozentpunkte steigen müssten. Das streitet die Ministerin aus Berlin noch nicht einmal ab. Doch sie verweist darauf, welche Kosteneinsparungen durch die Karte dem gegenüberstehen: Weniger Doppeluntersuchungen, weniger falsche Medikamentenverordnungen. Auf der elektronischen Patientenakte werden nämlich alle Untersuchungen und Verordnungen gespeichert. In den Kliniken sieht man vor allem in dem Abrufen von Notfalldaten einen deutlichen Vorteil der Karte. Dadurch sei eine schnelle, patientengerechte Behandlung möglich, heißt es. Das alles wird derzeit in Trier getestet. Offenbar mit Erfolg. Mit erheblichem Aufwand wurde vor den Augen der beiden Ministerinnen der Einsatz der Karte getestet. Die Triererin Petra Bettendorf, 36, Patientin des Allgemeinmediziners Michael Siegert, Projektleiter des Gesundheitskarte, musste dafür herhalten - mit fiktiver Krankengeschichte. Ärzte, EDV-Experten der beiden Kliniken und der Koblenzer Karten-Hersteller-Firma samt Laptops symbolisierten Arzt und Krankenhäuser - erinnerten jedoch eher an Demoskopen im Wahlstudio. In "Echtzeit" wurden Untersuchungsdaten von Siegert auf den Rechner des Mutterhauses, von dort ins Brüderkrankenhaus und wieder zur Praxis übertragen. Allerdings schienen die auf die Wand projizierten Schritte recht kompliziert, die Praxis und die Kliniken arbeiten mit unterschiedlichen Systemen, die miteinander vernetzt werden mussten. Die Computerexperten, die tagelang daran getüftelt hatten, konnten aber erst mal aufatmen.

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