Familienzwist vor dem Treffen der G8

Vor dem G8-Treffen treten zwischen der Bundesregierung und den USA deutliche Differenzen zutage. Washington lehnt den deutschen Entwurf einer Abschlusserklärung des G8-Gipfels zur Klimapolitik bisher in allen wesentlichen Punkten ab.

Berlin. (ko) SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel (Foto: dpa) verzichtet im Interview mit unserem Korrespondeten Werner Kolhoff erstmals auf diplomatische Zurückhaltung und wirft der US-Regierung vor, sich als Interessenvertreterin der Ölindustrie zu verstehen. Kurz vor dem Treffen in Heiligendamm stehen die Zeichen auf Konfrontation.Die Menschen erwarten, dass die Staatschefs in der Klimapolitik endlich einen Durchbruch schaffen. Ist das zu viel erwartet?Gabriel: Die Erwartung ist berechtigt. Die Bundesregierung will beim Gipfel in Heiligendamm einen solchen Durchbruch erreichen. Leider ist das mit den Amerikanern, den Russen und den Chinesen nicht einfach. Die Erkenntnisse sind alle da, wir wissen, was zu tun ist. Jetzt geht es um den Mut, politisch zu handeln.Der fehlt offenbar. So verlangen die USA, dass aus dem Abschlussdokument das Ziel eines gemeinsamen internationalen Vorgehens gestrichen wird und auch die Verpflichtung, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen.Gabriel: Wir haben in der Vorbereitung des Gipfels in der Tat noch keine Einigung erzielt. Aber wir werden nicht aufgeben. Jetzt sind nicht die Tage der Kleinmütigkeit. Zur Not werden wir die strittigen Punkte eben bis in die Gespräche in Heiligendamm hinein offenhalten. Dann müssen am Ende eben die Staats- und Regierungschefs selbst Farbe bekennen. Wenn sie wirklich blockieren wollen, dann muss klar werden, wer dafür die Verantwortung trägt.Die EU ist mit ehrgeizigen Klimabeschlüssen vorangegangen. War diese Vorleistung sinnlos?Gabriel: Ganz sicher nicht. Erstens wird das international anerkannt, und zweitens sind diese Beschlüsse eine wichtige Vorgabe, um beim Klimagipfel Ende des Jahres in Bali auch andere Industriestaaten in die Pflicht zu nehmen. Und auch, um die Schwellenländer und die Entwicklungsländer stärker einzubeziehen.Was wird Heiligendamm für den Klimaschutz überhaupt bringen?Gabriel: Selbst wenn es dort noch nicht den Durchbruch geben sollte: Wir werden sowohl praktische als auch psychologische Fortschritte erleben. Ich rechne damit, dass es eine Übereinkunft über den Schutz des Regenwaldes geben wird. Die dramatische Vernichtung von Wäldern ist für 20 Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Und psychologisch: Selbst wenn die Amerikaner konkrete Schritte blockieren, wird der weltweite Druck auf sie und die anderen, die mit ihnen im Geleitzug fahren, ungeheuer groß werden. Das ist für Bali ganz wichtig.Das klingt alles nach einer Konfrontationsstrategie mit den USA.Gabriel: Was heißt hier Konfrontation? Der Klimawandel ist Realität. Wir gehen nicht mit den USA in Konfrontation, sondern wir sind alle auf der Erde konfrontiert mit einer dramatischen Gefahr für unsere Kinder und Enkelkinder. Da machen diplomatische Sprachregelungen, die die Realität verkleistern und nichts nach vorne bringen, keinen Sinn. Das heißt im Übrigen nicht, dass wir nach Heiligendamm nicht weiter verhandeln und reden.Kommt man mit den USA vielleicht erst voran, wenn ein neuer Präsident gewählt worden ist?Gabriel: In den USA wächst das Klimabewusstsein, und ich bin sicher, dass sich dieser politische Druck mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen noch deutlich erhöhen wird. Vor allem will auch die amerikanische Wirtschaft mehr tun. Aber es kann sein, dass es den entscheidenden Durchbruch erst gibt, wenn es dort eine Administration gibt, die sich nicht so stark als Interessenvertreterin der Ölindustrie versteht.

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