"Fast einmalige Form"

TRIER. (DiL) Am Ende flossen auf der Anklagebank Tränen - der Erleichterung: Drei der fünf Angeklagten beim Trierer Geiselnahme-Prozess erhielten Bewährungsstrafen, trotz nachgewiesener schwerer Straftaten. Bei den Haupttätern blieb die Kammer im unteren Spektrum des möglichen Strafmaßes.

Der letzte Verhandlungstag begann erneut mit einem Kuriosum: Berthold R., Opfer und Nebenkläger, beantragte aufgrund seiner Unzufriedenheit mit der Berichterstattung des Trierischen Volksfreunds den Ausschluss der gesamten Presse vom weiteren Verfahren. Das Gericht musste ihm erklären, dass die Strafprozessordnung entsprechende Möglichkeiten nicht vorsieht.Das anschließende Plädoyer von Staatsanwalt Thomas Albrecht stieß in weiten Teilen auf Zustimmung aller Prozessbeteiligten. Er sprach von einer "Tragödie der Irrungen und Wirrungen", fand eine Fülle mildernder Umstände für die Angeklagten, für die das Vorhaben "gleich drei Schuhnummern zu groß" gewesen sei und die ihm als "arme Würstchen" erschienen. Gleichwohl verwies er auch auf die schlimme Situation der Ehefrau von Berthold R., die "völlig unschuldig" in das Tatgeschehen verwickelt worden und "das eigentliche Opfer" des Verbrechens gewesen sei.Obwohl er einen "minder schweren Fall" konstatierte, blieb der Ankläger beim Strafmaß hart: Fünfeinhalb und vier Jahre für die Haupttäter Detlev N. und Gert W., je zweieinhalb Jahre ohne Bewährung für die "Bodyguards" René K., Jörg S. und Andreas W. Sie alle hätten gewusst, dass die 380 000-Euro-Forderung gegen Berthold R. einen unberechtigten Anteil für ihr Honorar enthielt - und damit seien sie in diesem Punkt nicht mehr gutgläubig.Dieser rechtlich zentralen Frage nahmen sich die Verteidiger der drei "Mitläufer" an. Sie bezweifelten, dass ihre Mandanten Informationen über die Zusammensetzung der Summe gehabt hätten. Eine Auffassung, der sich letztlich wohl auch das Gericht anschloss.Nach dreistündigen Plädoyers und weiteren drei Stunden der Beratung verkündete der Kammervorsitzende Rolf Gabelmann das Urteil: Vier Jahre, drei Monate für den Drahtzieher Detlev N., inklusive zweier weiterer versuchter Delikte. Seiner Geschichte vom großen Unbekannten, der ihn zu seiner Tat gezwungen habe, schenkten die Richter keinen Glauben. Drei Jahre, sechs Monate für Gert W., der zurzeit noch eine andere Strafe absitzt. Und Bewährungsstrafen von je zwei Jahren für René K., Jörg S. und Andreas W., die ebenso wie ihre im Saal sitzenden Ehefrauen Mühe hatten, die Fassung zu bewahren.Gabelmann verwies bei seiner Urteilsbegründung auf das besondere Gewicht des Täter-Opfer-Ausgleichsverfahrens (siehe Stichwort), das im vorliegenden Fall in "fast einmaliger Form" praktiziert worden sei. Berthold R., das Opfer, hatte sogar teilweise ausdrücklich darum gebeten, den Tätern eine Haftstrafe zu ersparen.Ob Revision gegen das Urteil eingelegt wird, ist offen. Die Staatsanwaltschaft mochte sich gestern nicht dazu äußern.

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