Filterlose und Schwarzer Krauser

MAINZ. Vor 25 Jahren gründeten in Koblenz 43 friedensbewegte und ökologisch ausgerichtete Aktivisten den Landesverband der Grünen - ein halbes Jahr vor der Entstehung der Bundespartei.

Am Abend der Landtagswahl 1987 machen die rheinland-pfälzischen Grünen eine Erfahrung: Umfragen sind keine Garantie aufs Wahlergebnis. Auf sieben Prozent haben sie sich gefreut, und so bleiben bei "nur" 5,9 Prozent die Sektgläser lange leer. Aber der Einzug in das Hohe Haus ist geglückt. Acht Jahre zuvor, am 30. September 1979, hatten sich in den Koblenzer "Rot-Weiß-Stuben" mehrere umweltbewegte Gruppen zum Landesverband der Grünen zusammengeschlossen. "Um 22 Uhr war die Luft zum Schneiden", erinnert sich Gründungsmitglied Franz Horak - nicht weil es Zoff gab, sondern weil kräftig Filterlose und "Schwarzer Krauser" gequalmt wurden. Zwei starke Wurzeln prägen den Landesverband lange Zeit: Die Anti-Atomkraft-Bewegung gegen Biblis und Mülheim-Kärlich sowie die Friedensbewegung mit ihren Sitzblockaden gegen Pershing-Raketen in Hasselbach (Hunsrück) oder das Giftgaslager in der Westpfalz. Im Landtag sind die Grünen nicht nur wegen ihrer saloppen Kleidung ein Kulturschock. Sie setzen die Themen aus den Bürgerinitiativen auf die Tagesordnung, die die Altparteien noch nicht sehen oder sehen wollen. "Was ist denn das?", fragt der CDU-Fraktionsvorsitzende Hans Otto Wilhelm, als die grüne Fraktionschefin Gisela Bill einen "Konversions-Ausschuss" fordert. Heute wird die Erfolgsstory von der Umwandlung militärischer in zivile Standorte gerne erzählt - von der SPD. Auch die Sozialdemokraten fremdeln. "Bis sich Rudolf Scharping mal durchgerungen hatte, gegen die Atomkraft zu sein", stöhnt Bill. Zu den ersten Erfolgen zählen die Sanierung der Sondermülldeponie Gerolsheim und die Schließung der Uran-Anlage Ellweiler bei Idar-Oberstein. Noch etwas erfüllt Bill mit Zufriedenheit: Die grünen "Quotenfrauen" bleiben das nicht lange. Sie erarbeiten sich Respekt und finden Verbündete in den Frauen der übrigen Fraktionen, was in einem All-Fraktionen-Antrag gegen häusliche Gewalt gipfelt. Unterdessen schlagen die Parteiflügel heftig. In den 80er Jahren wächst im "linken" Lager Misstrauen gegen Aufsteiger, die sich in den Augen eingefleischter Basisdemokraten allzu glatt schleifen lassen. Auf Parteiversammlungen der 90er Jahre entlädt sich immer wieder die Spannung zwischen "Fundis" um die Pfälzer Bernhard Braun, Friedel Grützmacher oder Christian Sterzing und den "Realo"- Nordlichtern, zum Beispiel Ise Thomas, Dietmar Rieth oder der Mainzer Verkehrsdezernent Hans-Jörg von Berlepsch. Auf diese inneren Kämpfe wird der mangelhafte Einfluss der Rheinland-Pfälzer in der Bundespartei zurückgeführt. Doch der Zwang zur Zusammenarbeit befriedet, vor allem im Landtag. Nach den Wahlen 1996 erweitert sich unter dem Fraktionsvorsitz von Ise Thomas das Themenspektrum um Bildung, Familienpolitik, Wirtschaft und innere Sicherheit. Ein Übriges tut von 1998 an die Regierungsbeteiligung im Bund. Nach einer Strukturreform funktioniert die Parteiarbeit mit dem Spitzen-Trio Tabea Rößner, Manfred Seibel und Britta Stäck geräuschlos - zu leise für manchen Geschmack. Fest steht jedoch: Beim Empfang zum Silberjubiläum bleiben am Sonntag die Sektgläser nicht leer.

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