Flucht vor Urteilsverkündung

TRIER. Das Landgericht hat ges- tern sieben wegen Diebstahls angeklagte Trierer zu teils empfindlichen Gefängnisstrafen verurteilt. Kuriosum: Der 31-jährige Hauptangeklagte suchte vor der Urteilsverkündung offenbar sein Heil in der Flucht.

"Da müssen Sie sich aber warm anziehen", scherzt ein Verteidiger kurz vor der Urteilsverkündung in Richtung seiner Kollegin Monika Kühne. Die Trierer Rechtsanwältin antwortet mit einem gequälten Lächeln. Die Juristin weiß: Der Kollege macht sich nicht etwa Sorgen wegen der passenden Kleidung angesichts der kühlen Außentemperatur, sondern wegen der deftigen Gefängnisstrafe, die Kühnes Mandanten droht. Satte zehn Jahre hat Oberstaatsanwalt Michael Zell kurz zuvor für den 31-jährigen Hauptangeklagten gefordert. Gemeinsam mit sechs weiteren Trierern im Alter zwischen 19 und 47 Jahren war der geschiedene Maurer ein knappes Jahr lang in dutzende Geschäfte und Büros eingebrochen, hatte Computer, Handys und sonstige Wertgegenstände für rund 200 000 Euro mitgehen lassen, bis die Polizei dem Treiben ein Ende setzte. Als die Diebesserie im Februar 2002 losging, war der damals 28-Jährige erst wenige Monate wieder auf freiem Fuß. Mit ein Grund, warum Oberstaatsanwalt Zell den Wiederholungstäter nun für zehn Jahre ins Gefängnis schicken will. Doch zur Urteilsverkündung um 15 Uhr ist von dem Angeklagten nichts mehr zu sehen. Ratlos geht Verteidigerin Monika Kühne mehrfach zur Freundin des Mannes, doch auch sie kann ihn nicht erreichen. "Sein Handy ist aus", sagt sie. Wahrscheinlich hat der 31-Jährige damit gerechnet, direkt nach der Urteilsverkündung im Gerichtssaal verhaftet zu werden. "Der ist nach Spanien in Urlaub", witzelt eine Frau im gut besetzten Zuschauerraum. Zum Schmunzeln ist Oberstaatsanwalt Zell und Chef-Richter Rolf Gabelmann allerdings nicht zu Mute. Der Haftbefehl gegen den 31-Jährigen wird in Kraft gesetzt, das Urteil - sechs Jahre und neun Monate - in seiner Abwesenheit verkündet. Die übrigen sechs Angeklagten sind artig dageblieben, obwohl es auch für sie teils happige Haftstrafen hagelt. Für sechs Jahre muss der zweite Hauptangeklagte, ein 27 Jahre alter, zweifacher Familienvater, ins Gefängnis. Als Gabelmann das Urteil verkündet, bricht im Zuschauerraum eine junge Frau weinend zusammen. Zwischen vier Jahren, zehn Monaten und neun Monaten auf Bewährung lauten die übrigen Urteile. Weil gegen die meisten Urteile wohl Revision eingelegt werden wird, bleiben die Männer vorerst auf freiem Fuß.

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