Flucht vor der Staatsvisite

MAINZ. Abgeriegelte Straßen, gesperrte Brücken, geschlossene Schulen: Der Besuch von US-Präsident George W. Bush in Mainz schlägt sich in einem bisher nicht gekannten Sicherheitsaufwand nieder. Die Meinungen darüber sind geteilt.

Gullideckel werden zu Hunderten zugeschweißt, Telefonkästen gecheckt und Briefkästen abmontiert, damit sie nicht als Versteck für Bomben in Betracht kommen. Anwohner im engsten Sicherheitsbereich rund um das Mainzer Schloss, dem Tagungsort des Treffens zwischen US-Präsident und Bundeskanzler Gerhard Schröder, werden seit Tagen informiert, was sie am 23. Februar noch dürfen und was nicht. Auch wenn die Polizeiführungen in Mainz und Wiesbaden in dieser Woche noch verlauten ließen, dass für den Bush-Besuch keineswegs die Region dicht gemacht oder auf den Kopf gestellt werde, kommen zumindest den Innenstadt-Bewohnern Zweifel. Ihnen schwant der Ausnahmezustand. Wer in unmittelbarer Nähe des Schlosses wohnt, darf während des Präsidentenbesuchs in Sichtweite nicht die Fenster in Richtung der einstigen erzbischöflichen Residenz öffnen. Nur mit Sonderausweis und durch eine Metalldetektoren-Schleuse gibt es Ein- und Auslass. Polizisten sind Begleiter auf dem Weg zur Haustür."Einmalige Chance zur Werbung für die Region"

Einige Betroffene haben bereits angekündigt, dass sie vor der Staatsvisite nach außerhalb oder zu Besuch bei Bekannten flüchten werden. Grummeln macht sich auch bei Einzelhändlern breit, die im Sicherheitskorridor angesichts gesperrter Straßen und verschärfter Zugangskontrollen kaum noch mit Umsatz rechnen oder gleich ganz schließen wollen. Nicht zuletzt die genehmigte Demonstration mit geschätzten 5000 bis 10 000 Teilnehmern wird für zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen und Behinderungen in der Innenstadt sorgen. Trotz verbreiteten Unmuts ist nach Angaben von Stadt-Pressesprecher Markus Biagioni die Reaktion der informationshungrigen Bürger an den eigens geschalteten Hotline-Telefonen überwiegend positiv. Mainz werde sich als lebensfrohe und lebendige Stadt präsentieren, verspricht Biagioni. Eine einmalige Chance zur Werbung für die Region sieht Oberbürgermeister Jens Beutel. Auch Reinhold Noll (68), Anwohner im Sicherheitsbereich, hat Verständnis für die umfassenden Vorsichtsmaßnahmen und sieht durchaus einen gewissen Stolz der Domstädter, für einen Tag im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit zu stehen. Er will zwar versuchen, möglichst nahe an "den Ort des Geschehens" heranzukommen. Doch seine Hoffnungen sind nicht allzu groß. Zwar ist es "ausdrücklicher Wunsch des Präsidenten, nicht in einer völlig leer geräumten Stadt zu sein", wie der Chef der Mainzer Staatskanzlei, Martin Stadelmaier betont. Doch kaum ein Mainzer wird George W. Bush von Angesicht zu Angesicht sehen. Ein Zugang zum Hochsicherheitsbereich bleibt ihnen verwehrt. Nach dem politischen Besuchsprogramm werden allein 24 junge Führungskräfte aus Deutschland und den USA Gelegenheit haben, Bush und Schröder zu treffen, bevor beide das Gutenberg-Museum besuchen. Nach gut sechs Stunden dürfte die Visite in Mainz vorbei sein, wenn Bush am Nachmittag zum nahe gelegenen US-Stützpunkt Wiesbaden-Erbenheim aufbricht. Dann werden wie bereits bei der Anreise erneut Autobahn-Sperrungen und zeitweilige Stopps für Züge und S-Bahnen vermutlich ein Verkehrschaos heraufbeschwören.

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