Freispruch mit Schuldspruch

TRIER. Ein Freispruch, der zugleich mit einer Art Schuldspruch verbunden war: Zu diesem ungewöhnlichen Urteil kam gestern die Jugendschutzkammer des Landgerichts Trier im Vergewaltigungsprozess gegen einen 49-jährigen Mann.

"Ich verhehle nicht, dass mit dieser Entscheidung ein ungutes Gefühl verbunden ist" - sagt der Vorsitzende Richter Rolf Gabelmann ganz zum Schluss seiner Urteilsbegründung, fast so, als wolle er sich für das Urteil entschuldigen. Dabei ist er zuvor nur dem unumstrittenen juristischen Grundsatz "in dubio pro reo" - im Zweifel für den Angeklagten - gefolgt. Selbst die Staatsanwaltschaft - die einem 49-Jährigen in der Anklage noch Vergewaltigung vorwarf - hat nach der Beweisaufnahme auf Freispruch plädiert. Zu unklar sind die Aussagen des vermeintlichen Opfers, eines heute 15-jährigen Mädchens. Als sicher erachtet das Gericht letztlich nur wenig: An einem Tag im Frühjahr 2000 macht der 49-Jährige - damals mit der Mutter des Kindes liiert - mit dem damals elfjährigen Mädchen einen Ausflug in eine Höhle bei Trier-Biewer. Beide besuchen einen dort lebenden Einsiedler, essen mit ihm und übernachten in der Höhle. Über die weiteren Details herrscht allerdings Unklarheit: Zwischen der ersten Anzeige bei der Polizei - gemacht erst zwei Jahre nach der Tat -, einem Gespräch mit einer Psychologin und schließlich der Aussage vor dem Landgericht gibt es in den Details Widersprüche. Mal wurden dem Mädchen die Arme auf dem Rücken gefesselt, mal wurde sie aufs Bett gebunden, mal zunächst ausgezogen und dann gefesselt. Auch für den eigentlichen sexuellen Missbrauch gab es drei verschiedene Versionen. Bei solchen Fällen seien verschwommene Erinnerungen nicht ungewöhnlich, sagte eine Psychologin aus und stufte die Aussagen des Mädchens als glaubhaft ein. Doch als Beweis für eine Verurteilung reicht das den Richtern nicht aus: "Wir können nicht sagen, was wann wo wie genau geschehen ist." Keine Beweise, kein Belastungszeuge

Zumal auch der einzige Zeuge des Tages - der Einsiedler - trotz angeblich gellend-lauter Schreie des Mädchens nichts von einer Vergewaltigung zu berichten weiß. Auch ihn stuft Richter Gabelmann als "durchaus glaubwürdig" ein. Mit einem Punkt allerdings macht der Zeuge das Gericht stutzig: Der Angeklagte und das Mädchen hätten im selben Bett geschlafen, sagt der Mann aus, und beim Aufstehen morgens hätte sich der Angeklagte "die Hose zugemacht". Letztlich ist es wohl das, was Richter Gabelmann dazu bewegt, an der Unschuld des Angeklagten zu zweifeln. Der Fall zeige einmal mehr, dass sich Opfer von Vergewaltigungen sofort an die fachkundigen Stellen wenden sollten, sagt Gabelmann, "damit dem Täter der Prozess gemacht werden kann".

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