Frustrierte Ärzte

Die Ärzte sind mal wieder frustriert: Statt, wie von der Politik versprochen, mehr Geld zu bekommen, sinken ihre Verdienste immer weiter. Mediziner und Politik denken über neue Modelle nach, wie die ärztliche Versorgung vor allem auf dem Land gesichert werden kann.

Prüm. Burkhard Zwerenz war einmal gerne Arzt. Er wollte den Patienten helfen, für sie da sein, vor allem Zeit für sie haben. Heute, sagt der Prümer, sei Hausarzt kein schöner Beruf mehr. Stress, Bürokratie - und vor allem viel zu dürftig bezahlt. "Hausbesuche?", sagt Zwerenz zähneknirschend, "Hausbesuche lohnten sich gar nicht mehr." 440 Punkte kann er pro zu Hause besuchtem Patienten abrechnen. Jede Behandlung wird mit einer bestimmten Punktezahl belegt, der Wert eines Punktes liegt laut Zwerenz derzeit bei drei Cent. Macht also 13,20 Euro für einen Hausbesuch. Doch gerade in der Eifel wohnen die Patienten häufig nicht nebeneinander, 20 Kilometer bis zum nächsten Hausbesuch seien keine Seltenheit, sagt der Prümer Hausarzt."Hausbesuche lohnen sich nicht mehr"

"Mehr als zwei, drei Hausbesuche pro Stunde sind da nicht drin." Hat er am Wochenende Bereitschaftsdienst, muss er mehr Patienten betreuen. Dann sind die Strecken oft noch weiter. Für einen solchen Stundenlohn würde ein Handwerker nicht mal raus fahren. Immer öfter sagt Zwerenz Patienten, sie sollten, "wenn es irgendwie geht", in die Praxis kommen. Zwerenz ist aus Protest zum Ärztefunktionär geworden, ist Vorsitzender des rheinland-pfälzischen Hausärzteverbands, gibt damit seinen ebenso frustrierten Kollegen eine Stimme. Die Mehrzahl der Praxen stehe eigentlich vor dem Ruin, sagt er. Die ärztliche Versorgung auf dem Land sei in Gefahr, sagt auch Sigrid Ultes-Kaiser, Vize-Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz. Ältere Ärzte fänden keine Nachfolger, immer mehr junge Mediziner wanderten ins Ausland ab. Die Zahl der Praxis-Pleiten werde deutlich zunehmen, sagt die Ärztin. Bereits jetzt gebe es in Rheinland-Pfalz erkennbare Versorgungs-Engpässe - vor allem bei Hausärzten, sagt Ultes-Kaiser. Mit Streiks, die in der Region nicht zu spüren waren, machten einzelne Ärzte in dieser Woche auf diese "Katastrophe" aufmerksam. Um wirtschaftlich arbeiten zu können, müssten sie 30 Prozent der Fixkosten senken, sagten protestierende Ärzte. Zu diesen Fixkosten gehören neben Miete und Heizung eben auch Fahrtkosten für Hausbesuche - und auch Gehälter. Konsequenz: Entlassungen, Arzthelferinnen müssen gehen. Daher sei das Modell, niedergelassene Ärzte von Routineaufgaben etwa bei Hausbesuchen zu entlasten und dafür Arzthelferinnen einzusetzen, auch nur eine Notlösung, sagt KV-Sprecherin Nicole Giesler. "Das Personal dafür muss ja erst mal da sein." In vielen Praxen gebe es gar nicht mehr genügend Arzthelferinnen, weil die Mediziner sie nicht mehr bezahlen könnten. Die Politik, aber auch Ärztefunktionäre wie etwa die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), deren Vize-Chef der Trierer Hausarzt Carl-Heinz Müller ist, fordern, dass sich Ärzte zu größeren Gemeinschaftspraxen, sogenannten Versorgungszentren, zusammenschließen sollen. Ab Herbst: Euro und Cent statt Punkte

Damit könnte die medizinische Versorgung gesichert werden, glauben Politiker und KBV. Die Gesundheitsreform hat solche Modelle, eine Art Poliklinik, möglich gemacht. Auch die Bezahlung der niedergelassenen Ärzte soll sich verbessern. Ab Herbst sollen sie Behandlungen in Euro und Cent statt mit dem komplizierten, intransparenten Punktesystem abrechnen können. Kostendeckend könne man dann aber immer noch nicht arbeiten, sagen die Mediziner.

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