Für 9000 Dollar illegal nach Europa

TRIER. Weil sie mehrmals Landsleute über Osteuropa nach Deutschland und Großbritannien geschmuggelt hat, muss eine zuletzt an der Mosel wohnende 29-jährige Vietnamesin für zweieinhalb Jahre ins Gefängnis. Das hat gestern das Trierer Landgericht entschieden.

Frau D. spricht kein Deutsch, nicht mal ein Wort der für sie fremden Sprache versteht die in Handschellen in den Gerichtssaal geführte Vietnamesin. Ein eigens aus der Bonner Kante engagierter Dolmetscher muss Satz für Satz, Frage für Frage übersetzen, ein für alle Beteiligten mühsames Prozedere. Schwer vorstellbar, dass die zierliche junge Frau auf der Anklagebank monatelang Mitglied einer Menschenschmuggler-Bande war, die gewerbsmäßig kleinere Gruppen von Landsleuten über Deutschland und Frankreich nach Großbritannien geschleust hat. Zwischen 6000 und 9000 Dollar mussten ausreisewillige Vietnamesen für den illegalen Trip nach Europa auf den Tisch legen - für die Menschenschmuggler ein einträchtiges Geschäft. Die Fahnder waren der in Deutschland zuletzt in einem Dorf bei Bernkastel-Kues lebenden Vietnamesin durch den Hinweis einer Flughafen-Mitarbeiterin auf die Spur gekommen. Der Frau war es spanisch vorgekommen, dass die heute 29-Jährige oft in letzter Minute am Schalter des Hunsrück-Airports Hahn erschien und (teure) Tickets für London-Flüge von angeblichen Bekannten erwarb. Wie sich später herausstellte, waren die Tickets für Vietnamesen, die zuvor über Russland und andere osteuropäische Staaten nach Deutschland eingeschleust wurden und deren Ziel Großbritannien war. Im Reisegepäck: echte britische Pässe mit Fotos von Personen, die den Flüchtlingen ähnlich sahen. Auf solch abenteuerliche Weise war einst auch die Angeklagte nach Deutschland gekommen. Nach Abitur und fünf Jahren bei der vietnamesischen Marine wollte die junge Frau nach eigenen Angaben zu ihrem Onkel nach London. Verwandte sammelten Geld, um ihr die Flucht zu ermöglichen. Die war nahe Trier plötzlich zu Ende, weil die Schleuser sie angeblich "einfach auf die Straße setzten". Ein freundlicher Passant habe ihr damals zehn Mark in die Hand gedrückt und ihr den Weg in die Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber gewiesen, sagt die Angeklagte.Nach Gefängnis droht Abschiebung

Dort lernte sie nach eigenen Angaben ihren späteren Ehemann kennen, einen Landsmann, der damals schon lange in Deutschland lebte. Wie und warum aus dem einstigen Flüchtling plötzlich eine Schleuserin wurde, bleibt in dem Prozess unklar. Eine zunächst vom Verteidiger der jungen Frau verlesene Erklärung, wonach sie nur einem Freund ihres Mannes einen Gefallen habe tun wollen, spielt später keine Rolle mehr. Nach dem überraschenden Geständnis ist der auf drei Tage angesetzte Prozess schnell zu Ende. Zweieinhalb Jahre Haft lautet das Urteil für die 29-jährige Vietnamesin. Die junge Frau wird wohl nach Verbüßung eines Teils der Gefängnisstrafe in das Land abgeschoben, aus dem sie vor fünf Jahren geflohen war, um in Europa ein neues Leben beginnen zu können.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort