Ganz schön krank: Zigaretten als Hungerbremse

TRIER. Kinder fangen immer früher an zu rauchen. Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA)liegt das Einstiegsalter beim Rauchen im Schnitt bei 13,6 Jahren. Sorge macht vor allem, dass immer mehr Mädchen die Zigarette als Hungerbremse nutzen.

"Rauchen ist cool", findet der 14-jährige Dennis und zieht anseiner Zigarette. Man gewinnt den Eindruck, der Junge fühlt sichgrößer, stärker, sicherer mit der Kippe in der Hand. "Alle inmeiner Clique rauchen", sagt Dennis fast entschuldigend. DassDennis auch als Erwachsener noch rauchen wird, istwahrscheinlicher, als dass die gleichaltrige Sara zumGlimmstängel greifen wird - denn sie findet Rauchen eklig undmacht lieber einen Bogen um jugendliche Raucher, weil "die immerso stinken". "Die Altersspanne zwischen zwölf und 16 Jahrenentscheidet über das Rauchverhalten", sagt Sabine Gaidetzka,Suchtexpertin der Landeszentrale für Gesundheitsförderung inMainz. Eine Studie der BzgA über das Suchtverhalten zeigt: In derAltersgruppe der Zwölf- bis 16-Jährigen steigt die Raucherquotedeutlich an: Zehn Prozent der Zwölf- bis 13-Jährigen, 24 Prozentder 14- bis 15-Jährigen und fast die Hälfte der 16- bis17-Jährigen sind Raucher. Vom 16. Lebensjahr an variiert dieRaucherquote nur noch unwesentlich. Neben der laut Professor Bernd Krönig, Chefarzt des Trierer Elisabeth-Krankenhauses, unangenehmen Ausdünstung der Raucher und der Mitgefährdung für Nichtraucher hat der Qualm auch weitreichende Folgen für die Gesundheit der Kinder: Kopfschmerzen, Magen-Darm-Störungen und Atemwegserkrankungen sind nur einige der Symptome, die Kinder, die noch in der Entwicklung sind, zeigen. "Bei jungen Mädchen wird die Empfängnisbereitschaft im Laufe der Jahre herabgesetzt", sagt der Verfechter des Nichtrauchens. "Ich habe jeden Tag vor Augen, was Zigaretten im Körper anrichten", beschreibt der Internist.

Dass es sehr viel leichter ist, Jugendliche darin zu unterstützten, Nichtraucher zu bleiben, als Raucher dazu zu motivieren, mit dem "Qualmen" wieder aufzuhören, wissen die Experten. Dies wird auch in einer Repräsentativ-Erhebung der BzgA deutlich: In Rheinland-Pfalz müssen 15,1 Prozent der Raucher zwischen 15 und 17 Jahren als nikotinabhängig betrachtet werden.

Warum rauchen Kinder überhaupt? "Rauchen hat bei Jugendlichen eine hohe soziale Komponente", so Gaidetzka. Auch Dennis betont, dass seine Freunde rauchen. Dahinter steckt der Wunsch, zu einer Gruppe zu gehören und soziale Sicherheit zu bekommen. "Deshalb spielen in der Prävention die Vermittlung von Fähigkeiten, wie sich in der Gruppe durchsetzen, den eigenen Standpunkt vertreten und Nein sagen zu können, eine große Rolle", sagt Sabine Gaidetzka. Auch Stressbewältigung ist ein wichtiges Motiv für Kinder, zur "Kippe" zu greifen.

So rauchen laut der Expertin Schüler in der Pause, um sich nach einer größeren Anspannung wieder entspannt zu fühlen, nach Ärger ruhiger zu werden und auch um wieder konzentrierter arbeiten zu können. Der Zigarettenkonsum unterscheidet sich bei Jungen und Mädchen in der Menge - Jungen rauchen im Schnitt mehr Zigaretten als Mädchen - und in der Konsumhärte. Mädchen tendieren eher zu der "Mogelpackung Light-Zigaretten" (Krönig). Weiter hängt der Griff zum Glimmstängel bei Jungen häufiger mit Schulschwierigkeiten und Selbstunsicherheit zusammen. Ein fataler Trend ist laut Gaidetzka bei Mädchen zu erkennen: "Ein niedriges Körpergewicht zu haben ist bei vielen ein Motiv zu rauchen. Immer mehr nutzen die Zigarette fataler Weise als Appetit-Hemmer, Hungerbremse und Diäthilfe." Das Thema Rauchen verbindet sich dann mit schwerwiegenden Essstörungen und Schlankheitswahn.

Mit 800 000 Zigarettenautomaten bundesweit sind die Glimmstängel für die Jugendlichen trotz Rauch- und Kaufverbots ein problemlos zu erhaltendes Suchtmittel. Die Verführung steht an fast jeder Straßenecke.

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