Gefährdung für die Allgemeinheit

TRIER. Der 34-jährige Michael R. muss wegen schwerer Vergewaltigung, Geiselnahme und Körperverletzung für sechs Jahre in Haft. Das Landgericht Trier reduzierte im Revisionsverfahren damit zwar das Strafmaß, verhängte aber gleichzeitig eine Sicherungsverwahrung über den Angeklagten.

"Wir hatten bei der Sicherungsverwahrung Null Ermessensspielraum" sagte die Vorsitzende Richterin der 1. Großen Strafkammer, Irmtrud Finkelgruen, bei der Urteilsbegründung. Das Gericht habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sei aber angesichts der Gutachten "nicht darum herumgekommen, dass zurzeit eine Gefährdung der Allgemeinheit existiert". Zuvor hatte das Gericht ausführlich die Geschichte der "für beide unheilvollen Beziehung" (Finkelgruen) zwischen Michael R. und seinem späteren Opfer Revue passieren lassen. Die damals 22-Jährige, selbst problembeladen und zwiespältig in ihrem Verhalten, habe vielleicht der "makabre Reiz" des vorbestraften Mörders angezogen. Sie suchte Stärke und Sicherheit, er, geprägt in vielen Knast-Jahren, habe oft nach dem Prinzip "erst losschlagen, dann nachdenken" agiert. Dazu sei beim Täter eine "gewisse Lust" gekommen, anderen seine Macht zu demonstrieren und sie in Angst zu versetzen. Die angeklagten Taten waren nach umfassender Beweisaufnahme und einem Geständnis in letzter Minute nicht mehr strittig. Michael R. hatte im Mai 1999 seine damalige Lebensgefährtin vergewaltigt, wobei auch ein Messer und Handschellen eine Rolle spielten. Wenige Tage später nötigte er sie zu erniedrigenden Handlungen, indem er ihr eineinhalbjähriges Kind drohend aus dem Fenster im ersten Stock hielt. In einem ersten Verfahren war er dafür von einer anderen Kammer des Trierer Landgerichts zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, allerdings ohne die zusätzliche Sicherungsverwahrung, die erst nach Verbüßung der Strafhaft beginnt. Der Bundesgerichtshof hatte das Urteil aufgehoben und zurück verwiesen. Mit der um ein Jahr verringerten Haftstrafe honorierte die Kammer nun das Geständnis von Michael R. Es sei ihm "sichtlich schwer gefallen", nicht zuletzt wegen des "Image-Verlusts in der Gefängnis-Hierarchie". Das Einräumen seiner Taten sei "der Beginn eines Versuchs, sich auf ein normales Leben hin zu orientieren", sagte Richterin Finkelgruen. Deshalb habe die Kammer auch alle Möglichkeiten geprüft, die Sicherungsverwahrung zu vermeiden. Aber die Rechtslage lasse angesichts der "im Moment noch negativen Prognose" eine nur vorbehaltliche Verhängung nicht zu. Nicht alle Türen zugeschlagen

Dennoch bemühte sich die Kammer, nicht alle Türen zuzuschlagen. Noch sei "nicht alle Hoffnung verloren". Vor Vollstreckung der Sicherungsverwahrung, also frühestens in vier Jahren, müsse überprüft werden, "ob sie noch notwendig ist". Es liege nun an Michael R., durch Bemühen um Therapie seine Situation zu verbessern. "Sie haben es in der Hand, die Vollstreckung abzuwenden", mahnte die Vorsitzende Richterin. "Wenn Sie sich nicht verändern, ist der Zug in vier Jahren abgefahren", sagte sie beschwörend, und Michael R. nickte fast unmerklich. Seine frühere Lebensgefährtin, die den Prozess als Nebenklägerin mit bemerkenswerter Haltung verfolgt hatte, verließ das Gerichtsgebäude im Laufschritt. Erst vor der Tür brachen sich Tränen der Erleichterung Bahn. Wer immer über das zulässige Rechtsmittel einer erneuten Revision nachdenkt, muss in Rechnung stellen, was es für das Opfer bedeutet, wenn in diesem Jahre alten Fall immer noch kein Rechtsfrieden eintritt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort