Gefährlicher Gewichtsverlust

OBERKAIL. In der Nähe der Eifel-Airbase Spangdahlem gibt es nicht nur einen Notausstiegspunkt für Piloten, sondern auch einen so genannten Abwurfpunkt: Im Notfall sollen die Jetpiloten an dieser Stelle Treibstofftanks oder sogar Waffen und Munition abwerfen. Pikanterweise liegt auch dieser Punkt nahe Oberkail, wo unlängst eine F-16 abgestürzt war.

Nach dem Absturz einer Militärmaschine vom Typ F-16 unweit des Eifelorts Oberkail (Kreis Bitburg-Prüm) war allgemeines Schulterzucken angesagt. Auf deutscher Seite hatte angeblich niemand etwas davon gewusst, dass die Amerikaner für den Notfall über deutschem Territorium einen so genannten bailout point festgelegt haben - einen geografischen Punkt, an dem sich die Piloten mit dem Schleudersitz aus ihrem Jet katapultieren."Das wirft man Freunden nicht in den Garten"

Geht alles nach Plan, kracht die führerlose Militärmaschine anschließend in ein wenige hundert Meter entferntes Waldstück. Am 14. September allerdings wäre es fast zur Katastrophe gekommen. Nachdem sich Pilot Trevor Merrell über einer Wiese zwischen Oberkail und Badem aus dem während des Landeanflugs auf die Airbase beschädigten Jet "geschossen" hatte, drehte die F-16 ab, trudelte über Oberkail und krachte kurz hinter dem Ort in ein Feld. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt. Dafür hagelte es auf deutscher Seite Proteste, als unsere Zeitung über den "Ausstiegspunkt" berichtete, den selbst die Landesregierung nicht kannte. Dabei sind die Spangdahlemer "Airfield Operations", in denen das Verhalten von Piloten im Notfall detailliert festgelegt ist, sogar im Internet für jedermann abrufbar. Doch in der erst im August vergangenen Jahres modifizierten 71-seitigen Anweisung steht nicht nur, wo die Jetflieger bei einer Panne den Knopf für den Schleudersitz drücken sollen. In Kapitel 8.5. ist auch ausführlich beschrieben, wo der Pilot notfalls Treibstofftanks oder Waffen abwerfen soll - in einem Waldgebiet zwischen den Eifelorten Oberkail und Seinsfeld. Die US-Militärs sprechen in diesem Zusammenhang von einem "kontrollierten Abwurf" ("controlled jettison"). Diese Vorgehensweise sei "der letzte Ausweg, um das Gewicht und den Luftwiderstand einer Maschine im Notfall zu reduzieren, damit sie sicher laden kann", sagte Airbase-Sprecherin Diane Weed auf TV-Anfrage. Nach Weeds Angaben sind alle Militärjets so konstruiert, dass die Waffen sicher vom Flieger gelöst werden könnten und nicht scharf seien ("the ordnance comes off the aircraft in a safe mode and is not armed"). Aus diesem Grund könne bei einem Aufprall auch nichts detonieren. Bis dato sei die Abwurfgegend aber "so weit wir wissen (...) noch nie benutzt worden", sagt die Airbase-Sprecherin. Abermals fassungslos zeigte sich gestern auf TV-Anfrage der Oberkailer Ortsbürgermeister Rudolf Densborn. Von einem Notfall-Abwurfpunkt der Amerikaner wisse er nichts: "Das kann doch nicht sein, das schlägt dem Fass den Boden aus." In dem Waldgebiet zwischen Oberkail und Seinsfeld seien ständig Spaziergänger unterwegs. "Wer gibt uns denn die Gewähr, dass die womöglich eines Tages abgeworfenen Waffen wirklich nicht scharf sind", fragt der Ortsbürgermeister rhetorisch und fügt hinzu: "Da hört die Freundschaft auf. Freunden wirft man so etwas nicht in den Garten." Auch die Landesregierung wusste bis zur gestrigen Anfrage unserer Zeitung nach Angaben von Innenministeriumssprecher Eric Schaefer nichts von den "Jettison Points". Erste Erkundigungen hätten aber ergeben, dass derartige Punkte für Militärflugplätze vorgeschrieben seien. "Eine Bekanntgabe der Punkte scheint nicht vorgesehen, auch keine Beteiligung von Landes- oder Kommunalbehörden", sagt Schaefer. Nach Angaben des Ministeriumssprechers soll jetzt mit den Amerikanern neben den "Ausstiegspunkten" auch über die "Abwurfpunkte" gesprochen werden. Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) hatte erst am Dienstag gesagt, die US-Luftwaffe wolle den "Ausstiegspunkt" bei Oberkail überprüfen.

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