Gefahr im Grundwasser

Bitburg/Spangdahlem · Sie sind unsichtbar, nahezu unzerstörbar und gefährlich: Jahrzehntelang sind von den US-Stützpunkten der Südeifel Perfluorierte Tenside in die Umwelt gelangt. Das rächt sich.

Bitburg/Spangdahlem. Manche Bäche in der Südeifel transportieren tausendfach mehr Schadstoffe, als die EU es für gut hält. Bis in 80 Meter Tiefe ist das Grundwasser belastet. Angelweiher sind vergiftet. Und erste Spuren der Stoffe finden sich auch im Trinkwasser.
Noch immer ist das volle Ausmaß des Umweltskandals rund um die Flugplätze Bitburg und Spangdahlem nicht bekannt. Fest steht für die betroffenen Experten allerdings, "dass es keine einfachen und schnellen Lösungen geben wird". Und auch keine billigen. Schon allein die Voruntersuchungen verschlingen Millionen Euro. Hier ein Überblick über die wichtigsten Fakten und aktuellen Entwicklungen:

Die Stoffe, die Umweltschützern so viele Sorgen bereiten, haben ungewöhnliche Eigenschaften: Perfluorierte Tenside (PFT) sind öl-, schmutz- und wasserabweisend sowie hitzebeständig. Das macht sie so begehrt. In Teflonpfannen sind sie ebenso zu finden wie in atmungsaktiven Regenjacken, fettabweisenden Fast-Food-Schalen oder Imprägnierspray. Auch in Feuerlöschschäumen kamen sie bis 2011 vor, da sie sich besonders zur Bekämpfung von Öl-, Benzin- und Kerosinbränden eignen. Bei alledem sind sie nahezu unzerstörbar.
Allerdings ist PFT nicht das einzige Umweltproblem. Den Behörden ist schon lange bekannt, dass das Grundwasser bei beiden Flugplätzen auch mit leichtflüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffen (LHKW) verunreinigt ist. Diese sind Bestandteil von Lösungsmitteln, wie sie zum Entfetten von Motorteilen zum Einsatz kommen. Einige LHKW sind giftig und einer der Stoffe ist nachweislich krebserregend.

Die Gefahren durch PFT: Die künstlich hergestellten Fluor-Kohlenstoffverbindungen werden in der Natur nicht abgebaut und reichern sich daher an: in Gewässern, Böden, Tieren, Pflanzen und auch im menschlichen Körper. Als besonders bedenklich gilt Perfluor-Octansulfonsäure (PFOS). Die Verwendung von PFOS ist seit 2008 verboten. Löschschäume dürfen seit 2011 nur noch kleine Mengen Perfluorierter Tenside enthalten.
Sie gelten als krebserregend, fortpflanzungsgefährdend und mäßig toxisch. Zudem stehen sie im Verdacht, die Leber zu schädigen. US-Forscher haben in einer ungewöhnlichen Riesen-Studie (C8 Science Panel) 69 000 Menschen befragt, die PFT-belastetes Trinkwasser getrunken hatten. Sie wiesen nach, dass es einen Zusammenhang zwischen der PFT-Konzentration des Blutes und diversen Krankheiten gibt: Erhöhte Blutfettwerte und damit einhergehende Herzprobleme, Schilddrüsenerkrankungen, Dickdarmentzündungen, Hodenkrebs, Nierenkrebs sowie eine Verzögerung der Pubertät sollen von PFT verursacht werden.

Die Schadstoffquellen: Inzwischen gibt es wenig Zweifel daran, dass PFT-haltige Löschschäume, die auf den Flugplätzen jahrzehntelang eingesetzt wurden, Ursache des Problems sind. Günther Schneider, Landwirt und Umweltaktivist aus Binsfeld, hat alte Fotos, die zeigen, wie der Bach, der durch Binsfeld fließt, aussah, wenn auf der Airbase Spangdahlem Löschschaum verspritzt wurde: wie ein fluffiges weißes Band (siehe unten). Ringsum blieben Schaumfetzen wie riesige Schneebälle liegen.

Die Spuren in der Umwelt: Fast alle Teiche, Bäche und Flüsse im Umfeld des Flugplatzes Spangdahlem und der ehemaligen Airbase Bitburg weisen deutliche Belastungen auf. Die gemessenen Werte sind zum Teil tausendfach höher als die Qualitätsnorm, die die EU 2013 beschlossen hat und die Deutschland 2016 mit einer neuen Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer in nationales Recht umgesetzt hat: Bäche, Seen oder Flüsse sollen nicht mehr als 0,00065 Mi krogramm PFT pro Liter enthalten, und in Fischen sollen sich nicht mehr als 9,1 Mikrogramm der Stoffe anreichern. In einem inzwischen ungenutzten Angelweiher unweit des Airbase-Zauns hat die Landeswasserbehörde Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord zuletzt 4,85 Mikrogramm gemessen - 7460-mal mehr als die EU für gut hält. Auch Fische aus diesem und anderen Weihern und Bächen wiesen viel zu hohe Schadstoffkonzentrationen auf.
Ähnlich hohe PFT-Konzentrationen finden sich auch in Bächen wie dem Brückengraben am Flugplatz Bitburg (zuletzt 5,2 Mikrogramm pro Liter).
Die meisten dieser Bäche münden in die Kyll, in der bereits vor einigen Jahren so hohe Verunreinigungen gemessen wurden, dass die SGD Nord empfahl, im Monat nicht mehr als 300 Gramm Fisch aus dem Fluss zu essen. Die gleiche Verzehrempfehlung gilt für den Spanger Bach.
US-Analysen zeigen, dass auch das Grundwasser rings um Spangdahlem stark verunreinigt ist. Selbst in einer Tiefe von 78 Metern wurden an einer Probestelle noch 2,1 Mikrogramm PFT gemessen. Das entspricht fast dem Zehnfachen des für Grundwasser geltenden Richtwerts (0,23 Mikrogramm/Liter).

Trinkwasser: Die Wasserversorger der Region reagierten schnell, nachdem das Umweltproblem publik geworden war: Der Brunnen in Beilingen oder die Brunnen im Kylltal, die Trier und Teile des Trie rer Lands versorgen, werden nun mit einem neuen Messgerät der Trierer Stadtwerke regelmäßig auf ihre PFT-Gehalte untersucht. Der "gesundheitliche Orientierungswert", der lebenslang duldbar ist, liegt bei 0,1 Mikrogramm/Liter. Überall in der Region wurde er bisher deutlich unterschritten. Einer der höchsten Schadstoffgehalte wird am Brunnen Beilingen (Verbandsgemeinde Speicher) gemessen: Zuletzt waren 0,02 Mikrogramm PFT in einem Liter Trinkwasser gelöst. "Die Ergebnisse schwanken leicht, bewegen sich aber alle im unbedenklichen Bereich", sagt Bürgermeister Manfred Rodens.
Grundwassermessstellen, die die Amerikaner auf halber Strecke zwischen der Airbase und dem Beilinger Brunnen einrichten, sollen dazu dienen, vor nahenden Schadstoffen zu warnen.

Teurer Klärschlamm: Der Schlamm aus den Kläranlagen der Flugplätze Spangdahlem und Bitburg sowie der Kläranlage Kailbachtal (Wittlich-Land) ist oft so stark mit PFT belastet, dass er nicht auf Felder ausgebracht werden kann, sondern verbrannt werden muss.
Für die VG Wittlich-Land dürfte das noch richtig teuer werden. Denn die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben weigert sich inzwischen, Schadensersatz zu zahlen (siehe unten). Werkleiterin Annegret Heinz rechnet mit jährlichen Kosten in Höhe von 100 000 Euro, die die Kommune künftig selbst tragen muss. Das bekommen dann auch die Bürger zu spüren. Um acht Cent pro Kubikmeter müssten die Schmutzwassergebühren steigen, um die Ausgaben zu decken.
Der Grenzwert liegt bei 100 Mikrogramm PFT pro Kilogramm trockenem Klärschlamm. Alles, was weniger stark belastet ist, wird auf Felder ausgebracht. In welchen Gemeinden diese Flächen liegen, will die Verbandsgemeinde mit Verweis auf das Landesdatenschutzgesetz nicht beantworten.

Schadensersatzforderungen: Um nicht auf möglichen finanziellen Schäden durch PFT sitzen zu bleiben, haben Landwirte, Angelvereine, Wasserversorger und Kommunen Schadensersatzanträge bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) eingereicht: rund um Bitburg insgesamt sieben, bei Spangdahlem 14 und drei am Flughafen Hahn.
Doch nur die Verbandsgemeinde Wittlich-Land hat Geld gesehen: 460 000 Euro hat die Bima für die Verbrennung des Klärschlamms gezahlt. Die letzten beiden Schadensersatzanträge wurden abgelehnt, so dass die Kommune auf 77 000 Euro sitzen bleibt. Alle übrigen bereits bearbeiteten Anträge hat die Bima bisher abgelehnt.
Und daran dürfte sich wohl auch nichts ändern. Wie Herbert Billen von der VG Wittlich-Land mitteilt, verweist die Bima inzwischen auf ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf. In einfachen Worten zusammengefasst sind die Richter zu dem Schluss gekommen, dass der Verursacher der PFT-Verunreinigung keine Schuld hat, da damals noch nicht bekannt war, wie gefährlich die Stoffe sind. Daher müsse er auch nicht haften.
Rechtliche Grundlage dafür, dass die Bima für Schäden aufkommt, die das US-Militär verursacht hat, ist das Nato-Truppenstatut. Zunächst zahlt Deutschland Entschädigung. Ist der "Entsendestaat" (hier: die USA) voll verantwortlich, kann Deutschland 75 Prozent des Geldes zurückfordern.

Der Flugplatz Bitburg zeigt anschaulich, wie teuer Umweltschäden sind. Seit die Amerikaner das Gelände im Jahr 1994 verließen, hat der Bund mehr als zehn Millionen Euro gezahlt, um Zigtausende Tonnen ölverschmutzte Böden abzubaggern, belastete Bodenluft abzusaugen oder Grundwasser zu filtern. 2014 zeigte sich dann, dass das Gelände stark mit den gefährlichen Tensiden belastet ist. Der Bund beauftragte daher eine systematische PFT-Untersuchung, die Ende 2017 abgeschlossen werden soll. Kosten laut Bima bisher: 700 000 Euro. Kosten geschätzt bis 2023: 1,6 Millionen Euro.
Der Verdacht, dass die ehemaligen Feuerlöschübungsplätze und Böden rund um Hangars und Landebahn stark belastet sind, hat sich inzwischen bestätigt. Aktuell untersuchen Fachleute Boden und Grundwasser, um herauszufinden, wie weiträumig die Verschmutzung ist und wie die Schadstoffe sich ausbreiten.
Sobald das bekannt ist, kann man Gegenmaßnahmen ergreifen: zum Beispiel verunreinigtes Wasser mit Aktivkohlefiltern reinigen oder Böden abbaggern und verbrennen.
Die Bima hat auf dem Flugplatz Nutzungsbeschränkungen für stark belastete Flächen erlassen: Wiesen im Umkreis von 100 Metern dürfen nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden.

Airbase Spangdahlem: Rund zehn Millionen Dollar hat die Airbase seit 1997 für Umweltuntersuchungen ausgegeben. Unter anderem wurden damit 80 Grundwassermessstellen angelegt. Die SGD Nord hat im Umfeld des Stützpunkts zudem 20 Sondermessstellen in Teichen, Bächen und Flüssen eingerichtet. Inzwischen weiß man recht genau, von welchen "Hotspots" die Verunreinigungen ausgehen. Die höchsten PFT-Konzen trationen werden dort gemessen, wo Löschschäume zum Einsatz kamen: an den alten Feuerlöschübungsplätzen, an Sprinkleranlagen und dort, wo Brände gelöscht werden mussten.
Hohe LHKW-Konzentrationen finden sich am ehemaligen Munitionslager sowie dort, wo einst eine Tankstelle und eine chemische Reinigung standen.
Bevor Experten ein Sanierungskonzept erstellen können, muss klar sein, wie die Schadstoffe sich im Untergrund ausbreiten. Ein Ingenieurbüro erkundet dies aktuell im Auftrag der Amerikaner. Erschwert wird dies dadurch, dass die geologischen Verhältnisse unter der Air base höchst kompliziert sind.
Im Dezember 2015 hat die Air Force angekündigt, belastete Areale zu sanieren - wenn dies technisch machbar ist und wenn eine Gefahr für Mensch oder Umwelt besteht. Das bedeutet: belastete Böden abbaggern. Auch eine Reinigung des stark verschmutzten Grundwassers wäre möglich. Dieses müsste heraufgepumpt und mit Aktivkohle gefiltert werden. Eine höchst aufwendige und teure Prozedur.
Nach Auffassung der Experten aus der internationalen "Arbeitsgruppe Flugplatz Spangdahlem" wird es für das PFT-Problem "keine einfachen und schnellen Lösungen geben". Noch lange wird die Region damit zu kämpfen haben.KommentarMeinung

Aus den Fehlern lernen!
Jahrzehntelang werden auf Militärflugplätzen gedankenlos Löschschäume versprüht, die große Mengen krebserregender Fluorverbindungen enthalten. Und jetzt haben wir den Salat. Ein Umweltproblem, das wie viele, viele andere zeigt, wie wichtig es ist, dass diese Stoffe gar nicht erst in die Umwelt gelangen. Wie oft stellt sich später heraus, dass sie nicht nur Tieren und Pflanzen schaden, sondern auch uns selbst. Weil sie krank machen. Und weil es unglaublich viel Geld kostet, sie wieder loszuwerden. Beispiele gibt es reichlich: Öl trieb im Meer, Dioxin sickerte in Böden, Nitrat ins Grundwasser, da sind Smog, Feinstaub, Treibhausgase, Asbest, saurer Regen, Plastik in der Nahrungskette und Antibiotika im Abwasser, da sind radioaktive Abfälle, für die es immer noch kein Endlager gibt und - ach ja - Stickoxide. Dass wir unsere Zähne trotzdem mit Mikroplastik-Zahnpasta weißschrubbeln, dass mancher sein Klo weiterhin mit giftigem Chlor reinigt oder dass im Deutschland des Jahres 2017 immer noch 30 Millionen Benzin- und 15 Millionen Dieselautos herumfahren, spricht nicht dafür, dass wir viel gelernt haben. k.demos@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort