Gegenseitiges Geben und Nehmen

TRIER. Mangelnde Qualifikation, fehlende Begeisterung - Handwerk wie Industrie klagen über Mängel in der Schulausbildung und damit zusammenhängende Probleme bei der Besetzung von Lehrstellen. Weil Schimpfen allein nicht hilft, haben Kammern und Betriebe die Initiative ergriffen: Sie arbeiten eng mit Schulen zusammen.

Preisefür innovative Unterrichtsprojekte, ein Schülerquiz zumWirtschaftswissen, eine Internetplattform, Fortbildungsmaßnahmenfür Lehrer, Arbeitskreise, Aktionswochen, Info-Tage - zwischenSchule und Wirtschaft liegen längst keine Welten mehr. "Die Steigerung der Qualität der Schulabgänger und deren frühzeitige Auseinandersetzung mit Wirtschaft, Ausbildung und Beruf gewinnen für Unternehmen zunehmend an Bedeutung", sagt Alexandra Lossjew, für das Thema Schule und Wirtschaft zuständige Referentin bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Trier. Zusammen mit verschiedenen Institutionen wie Handwerkskammer, dem Kreis Junger Unternehmer oder der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion sowie Betrieben und Lehrern hat die IHK unter anderem die genannten Projekte initiiert. Die Motivation: Eine Umfrage unter Betrieben habe ergeben, dass rund 55 Prozent "in der verbesserungswürdigen Qualifikation der Bewerber ein Hemmnis bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen" sehe, sagt Lossjew. "Die Schuld daran kann man nicht den Schulen allein in die Schuhe schieben. Das ist eine komplexe Geschichte." Die Gesellschaft müsse Leistung wieder anerkennen und dürfe sie nicht länger als Strebertum ansehen. Nach der Pisa-Studie, sagt die IHK-Referentin, habe die Kammer ihr bereits vorhandenes Engagement in Sachen Wirtschaft und Schule ausgedehnt.

Die Studie hat noch etwas anderes verändert: Die Gesellschaft sei seither für das Problem sensibilisiert, dass sich die Schule verändern müsse, sagt Lossjew. "Wir stoßen mit unseren Anliegen jetzt auf offene Ohren."

Gerhard Eder, geschäftsführender Werkleiter der Weinsheimer Andreas Stihl AG und stellvertretender Vorsitzender des IHK-Industrie-Ausschusses, kritisiert: "Die Ausbildung in der Schule ist nicht mit der Zeit gegangen." Oft werde bei den Schülern kein Interesse geweckt. An diesem Punkt will Eder ansetzen: "Jeder weiß aus seiner Schulzeit, dass Mathe und Physik teilweise schreckliche Fächer sind. Wir laden Klassen beispielsweise zu Betriebsbesichtigungen oder Vorträgen ein, bei denen sie erfahren, wozu man dieses Wissen in der Praxis braucht."

Besonderen Einsatz in Sachen Schule und Wirtschaft zeigt auch Manfred Schmidt. Der geschäftsführende Gesellschafter der Trierer Kirsch GmbH und Vorsitzende des Industrie-Ausschusses der IHK ist wie Eder einer der Initiatoren der Internet-Plattform für Schule, Wirtschaft, Ausbildung und Beruf, Swab ( www.swab-regiontrier.de ).

Von der Online-Börse zur Lernpartnerschaft

Über diese Online-Börse unterbreiten seit Dezember 2002 rund 120 Unternehmen ihre Angebote für Schüler und Lehrer - von Betriebspraktika über Berufsinformationstage bis hin zu dauerhaften Lernpartnerschaften. "Wir wollen den qualifizierten Nachwuchs in der Region halten", begründet Schmidt sein Engagement, "den jungen Leuten zeigen, was wir hier vor Ort zu bieten haben." Von der Zusammenarbeit profitiert nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Schule. "Wir haben dadurch gute Kontakte zu den Kammern, können deren Kanäle nutzen und sind, was Entwicklungen betrifft, immer auf dem neuesten Stand", sagt Addi Arens, Leiter der Grund- und Hauptschule Wincheringen. Er nennt ein Beispiel: "Wir richten derzeit eine Lernwerkstatt zur Berufsorientierung ein, dafür brauchten wir finanzielle Unterstützung. Die Kammern haben uns Adressen genannt, und wir haben tatsächlich Geld bekommen."

Arens schickt auch von Zeit zu Zeit Kollegen zum Lehrerpraktikum in Betriebe. "Ich finde es wichtig, dass sie hinter die Kulissen schauen", sagt er. "Diese Erfahrungen fließen dann in den Arbeitslehre-Unterricht ein. Außerdem kann ein Lehrer, der beispielsweise die Metallverarbeitung kennt, einem Schüler eher sagen, ob der Beruf was für ihn ist oder nicht."

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