Gegenwind für Landes-Pläne an der Gedenkstätte in Hinzert

Hinzert-Pölert · Das Land will in der Gedenkstätte Hinzert den Bereich besser sichtbar machen, in dem in den Zeiten des Nazi-Terrors die Lagerhäftlinge ihre Baracken hatten. Dort befindet sich derzeit nur eine große Wiese. Die Gestaltung dieser Fläche ist als Ergänzung zum bestehenden Dokuzentrum gedacht. Doch im Hinzert-Pölerter Gemeinderat fanden diese Pläne keinen großen Anklang.

 Peter Schulz aus Berlin besichtigt das Dokuzentrum Hinzert. Bei diesem Rundgang liefert ihm ein Audioguide die wichtigsten Informationen. Hinter dem großen Glasfenster sind die Wiesen zu sehen, auf denen früher die Häftlingsbaracken standen.

Peter Schulz aus Berlin besichtigt das Dokuzentrum Hinzert. Bei diesem Rundgang liefert ihm ein Audioguide die wichtigsten Informationen. Hinter dem großen Glasfenster sind die Wiesen zu sehen, auf denen früher die Häftlingsbaracken standen.

Foto: Axel Munsteiner

Bei einem Rundgang durch das Dokumentationszentrum im früheren SS-Sonderlager/KZ Hinzert fällt der Blick des Besuchers unwillkürlich auf ein großes Glasfenster. Es nimmt eine komplette Seite des 3,2 Millionen Euro teuren Gebäudes ein, das Ende 2005 eröffnet wurde. Auf dem unteren Teil des Fensters wurde eine historische Fotografie angebracht. Sie zeigt die Baracken, in dem die Häftlinge den grausamen Lageralltag überstehen mussten.

Doch derzeit bekommen die Besucher nur auf diese Art und Weise eine Vorstellung von der Größe und dem Aussehen des Lagers. Dort, wo früher die Häftlinge hinter einem Stacheldraht eingesperrt waren, erstrecken sich heute weite Wiesen. Der Ehrenfriedhof und das Dokuzentrum stehen an der Stelle, an der einst die SS-Wachmannschaften ihre Unterkünfte hatten. "Viele Besucher wünschen sich aber, direkten Zugang zu dem Ort zu bekommen, an der sich die Häftlinge befunden und sich die Dinge ereignet haben", sagt Uwe Bader von der Landeszentrale für politische Bildung. Deshalb solle "auch dieses Gelände zur Vervollständigung der Gedenkstätte gestaltet werden", so Bader.

Bei der Vorstellung der Pläne im Hinzert-Pölerter Rat betonte er jedoch, "dass die Baracken nicht wieder aufgebaut werden sollen". Man wolle rund um den früheren Häftlingsbereich einen Weg anzulegen, um so die Umrisse des Geländes deutlich zu machen. Auf diesem Weg sollen sich einzelne Haltepunkte befinden, an denen auf den Boden Tafeln angebracht werden. Auf ihnen sollen Nummern stehen. Diese können die Besucher in einen Audioguide - ein Akustikgerät - eintippen und erhalten dann Informationen zu dieser Station. Auch sogenannte QR-Codes für das Smartphone sollen auf den Tafeln platziert werden. Mit dieser Technik erfahren Besucher via Handy mehr über die Geschehnisse im Lager.

Doch vor der Verwirklichung dieser Pläne, die Bader frühestens "in zwei bis drei Jahren oder sogar noch länger" für möglich hält, muss das Land zunächst in den Besitz der Wiesenparzellen kommen. Die 27.000 Quadratmeter große Fläche - das sind etwa vier Fußballfelder - verteilt sich auf zwölf Eigentümer. Mit ihnen soll der Hermeskeiler Rathaus-Chef Michael Hülpes (CDU) über einen Verkauf verhandeln. Das Land hat dafür Geld zur Verfügung gestellt, wobei man sich laut Hülpes "an den für unsere Gegend handelsüblichen Preisen von 25 bis 30 Cent pro Quadratmeter orientiert hat".

Im Hinzert-Pölerter Rat wurde aber nicht nur bezweifelt, dass die Eigentümer dem Land die Flächen zu diesem Preis abtreten. Auch die Idee der Neugestaltung des Häftlingsbereichs stieß auf Skepsis. "Wir nehmen diese Pläne zwar zur Kenntnis, werden uns davor hüten, ihnen jetzt schon zuzustimmen", sagte Ortsbürgermeister Jürgen Merkel. Er und andere Ratsmitglieder wollten wissen, "welche Kosten auf die Steuerzahler zukommen". Dazu sagte Bader, dass er zurzeit noch keine "Kostensumme für dieses Projekt in den Raum werfen kann." Er rechne aber damit, "dass wir uns im fünf- oder sechsstelligen Bereich bewegen".

Mehrere Ratsmitglieder reagierten auf diese Aussagen mehr als reserviert. So betonte Peter Köhl, dass man in Hinzert-Pölert zwar sehr wohl für "maßvolle Gedenkarbeit" sei. "Das ist hier aber nicht gegeben. Ich hätte gern mehr Bescheidenheit", sagte Köhl auch mit Blick auf die Errichtung des Dokuzentrums. Auch damals hätte es günstigere Alternativen gegeben. Während Merkel sogar durch die Pläne des Landes "eine höhere Verkehrsbelastung des Ortes" fürchtete, betonte Hülpes: "Ich sehe die Sache als sinnvoll an. Man will in relativ bescheidenen Rahmen auch den Häftlingsbereich in die Gedenkstätte mit einbeziehen."
Extra



SS-Sonderlager/ KZ Hinzert: Das Lager Hinzert wurde 1939 als Polizeihaftlager für "straffällige" Westwallarbeiter errichtet. Ab Juli 1940 diente es als "Durchgangslager" für luxemburgische, niederländische und französische Häftlinge, die später in die KZ Buchenwald oder Dachau deportiert wurden. Viele von ihnen waren Widerstandskämpfer. Am 16. März 1945 wurde das Lager Hinzert von der US-Armee befreit. In den sechs Jahren seines Bestehens litten rund 13 000 Männer aus 20 Ländern im Lager Hinzert. Mindestens 321 Menschen wurden dort ermordet oder starben an Krankheit, Entkräftung oder Hunger.

Im Dokuzentrum wurden seit der Eröffnung im Dezember 2005 nach Aussage der Leiterin Beate Welter rund 70.000 Besucher gezählt. Zu Beginn kamen eher Einzelbesucher. Inzwischen sind es zu rund 70 Prozent Gruppen, darunter viele Schulklassen. Aus dem Ausland kommen die meisten Besucher aus den Niederlanden und Luxemburg.
Meinung

Wichtige Arbeit

Die Gedenkstätte Hinzert ist für die Menschen im Hochwaldort ein sehr sensibles, ja sogar heikles Thema. Diese Erfahrung wird durch die aktuelle Ratsdiskussion bestätigt. Wie schon bei der Eröffnung des Dokuzentrums erheben die lokalen Politiker nun auch bei der geplanten Gestaltung des Häftlingsbereichs ihre Stimme, weil das Land dafür aus ihrer Sicht möglicherweise zu viel Geld ausgeben will. Eins muss aber klar gesagt werden: Die Gedenkstätte Hinzert ist in keiner Weise mit dem Nürburgring zu vergleichen. Es geht dort nicht um touristischen Rummel, sondern um einen der zwei Orte in Rheinland-Pfalz, an dem an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte erinnert wird. Neben dem KZ Osthofen steht Hinzert für Bildungsarbeit, die auch 67 Jahre nach dem Ende Hitlers wichtig ist. Denn hat nicht die jüngste neonazistische Mordserie deutlich gezeigt, dass "der Schoß noch fruchtbar ist, aus dem das kroch", um es mal mit Bert Brecht zu formulieren. Und schließlich darf eins nicht vergessen werden: Gerade für unsere Nachbarn aus Luxemburg hat Hinzert eine eminente Bedeutung. Deshalb sollte man nicht danach rufen, dass das Land ausgerechnet bei der Gedenkstätte Hinzert den Rotstift ansetzen und auf einen bescheidenen Ausbau verzichten soll.

a.munsteiner@volksfreund.de

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