"Gentechnik aus rechtlicher Grauzone holen"

Mainz. (win) Die Möglichkeiten der Gentechnik sollten aus der "rechtlichen Grauzone" geholt werden. Das fordert der rheinland-pfälzische Justizministers Herbert Mertin (FDP). Mit klaren Regelungen sei eine verfassungsrechtliche Balance zwischen wissenschaftlichem Fortschritt und den Persönlichkeitsrechten jedes Menschen möglich.

"Ein Jahrmarkt der Gene muss verhindert werden", erklärte Mertin am Dienstag bei der Veranstaltungsreihe "Ethik und Recht im Dialog" in Mainz. Der Minister forderte die Bundesregierung auf, sie solle endlich das seit Jahren angekündigte Gendiagnostikgesetz vorlegen, um einem Missbrauch mit Genmaterial vorzubeugen. Mertin sprach sich gegen heimliche Vaterschaftstests und genetische Zwangstests, beispielsweise als Voraussetzung für den Abschluss einer Versicherung, aus. "Die Versicherten müssen davor geschützt werden, dass ihre individuellen Erbanlagen ausgeforscht und offen gelegt werden", erklärte Mertin. Zugleich appellierte er an die Bundesregierung, auf eine Harmonisierung der europäischen Vorschriften zu drängen, um Wettbewerbsnachteile deutscher Versicherungen zu verhindern. In Großbritannien dürften Versicherungsgesellschaften beispielsweise vor Abschluss einer Lebensversicherung den Gentest der Bürger einsehen. Führende Vertreter deutscher Gesellschaften hätten zwar betont, auf solche Zwangstests zu verzichten. Diese Selbstbeschränkung reiche zum Schutz der Verbraucher jedoch nicht aus, betonte der Justizminister. Der Vorsitzende der Ethik-Kommission der Landesärztekammer, Professor Christian Rittner, sprach sich entschieden gegen einen freizügigen Umgang mit Gentests aus. Die DNA bestimme den Kern der Persönlichkeit und unterliege damit dem Recht auf Selbstbestimmung. Wer dies missachte, verletze die Menschenwürde des Individuums, sei es Erwachsener, Kind oder Säugling, so Rittner. Nach Auffassung von Professor Norbert W. Paul (Uni Mainz) eröffnen Gentechnik und "molekulare Medizin" neue Wege im Umgang mit Gesundheit und Krankheit und können bereits detaillierte Auskunft über individuelle Gesundheitsrisiken geben. Dringend notwendig sei eine Debatte um die Rolle der Medizin, in der es gelte, zu unterscheiden, in wieweit Eingriffe in das menschliche Erbgut eine Möglichkeit zur Vorsorge darstellen, oder es sich bereits um einen Ansatz zur biologischen Verbesserung des Menschen handele bis hin zum Ziel, die Weitergabe risiko- oder krankheitsbezogener genetischer Eigenschaften von einer Generation auf die nächste zu unterbrechen - sei es durch pränatale Diagnostik oder genetische Eingriffe.

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