George W. Bushs olympischer Hürdenlauf

Für das Regime in Peking ist es der größtmögliche Public Relations-Coup: Wenn am Freitag die Olympischen Sommerspiele eröffnet werden, sitzt mit George W. Bush erstmals ein amtierender US-Präsident in der Geschichte der Spiele auf der Ehrentribüne.

Washington. Was als Höhepunkt der letzten Asienreise Bushs vor seinem Abschied aus dem Amt gedacht ist, birgt allerdings auch politischen Sprengstoff - weil der Präsident, wie er es mehrfach selbst vor dem Abflug formulierte, "den Besuch nicht politisieren" will. Sport und Politik, so hatte das Weiße Haus gegenüber Kritikern des Peking-Auftritts argumentiert, müssten getrennt werden, die Spiele seien für Athleten, so Sportfan Bush, der unter anderem ein Baseball-Duell zwischen dem hoch favorisierten und mit Superstars besetzten US-Team und Gastgeber China verfolgen will.

Doch die Erwartungshaltungen in der Heimat könnten nicht unterschiedlicher sein. "Es ist enorm wichtig, dass Sie eine Einhaltung der Menschenrechte anmahnen und sich mit den Familien von inhaftierten Dissidenten treffen", mahnte die führende US-Demokratin Nancy Pelosi Bush wenige Tage vor der Reise ab. Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, John McCain, vertritt jedoch die Kontra-Position. Er forderte am Sonntag in einem Interview mit der "Washington Post" seinen Parteifreund auf, "nichts Kontroverses" zu den Gastgebern zu sagen. Denn, so McCain: "Es wäre nicht gut für unsere Beziehungen." Doch politische Beobachter verweisen derzeit darauf, dass Bush für seinen Auftritt im Olympiastadion eine einseitige Leistung erbringt, ohne dass bislang klare Vorteile für die US-Interessen absehbar seien. Selbst das "Wall Street Journal" kritisiert, Bush sei auch im Vorfeld der Spiele "zu ruhig" gewesen, was Übergriffe Chinas gegen Regimekritiker und Arbeitsbeschränkungen für Medienvertreter angehe.

Der US-Präsident wehrt sich - und verweist auf seine Praxis, Menschenrechtsfragen üblicherweise in privater Konversation mit der chinesischen Führung zu besprechen. Er spreche "regelmäßig" mit Chinas Präsident Hu, betonte Bush in einem gestern veröffentlichten Interview, und dieser "hört gut zu" und "ist offenherzig und interessiert". Am Sonntag will der US-Präsident seinen Amtskollegen unmittelbar nach einem Kirchenbesuch in Peking treffen. Ganz ausweichen können wird der Texaner bei seinem ganz persönlichen olympischen Hürdenlauf also der Politik nicht - denn mit Blick auf sein Vermächtnis und seinen Rang in den Geschichtsbüchern könne er es sich nicht leisten, weltweit bedeutende Themen wie den Klimaschutz oder die Unterstützung Chinas für andere Diktaturen zu vernachlässigen, heißt es in US-Medien. Und hinter vorgehaltener Hand wird in US-Regierungskreisen derzeit weiter die Möglichkeit diskutiert, dass der in der Heimat als "lahme Ente" geltende Präsident durch ein überraschendes Treffen mit chinesischen Dissidenten doch noch die umstrittene Reise mit einem unerwarteten Paukenschlag abschließen könnte.

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