Geschick im Kamingespräch

TRIER. Nach 18 Monaten gibt Rheinland-Pfalz die Präsidentschaft in der Großregion an die Wallonie in Belgien ab. Was nach dem Kamingespräch und dem Gipfel in Trier übrig bleibt.

Kurt Beck muss den Kollegen aus der Wallonie und den Vertretern Lothringens beim Kamingespräch in einem Spitzenlokal am Trierer Moselufer Honig um den Mund geschmiert haben. Zumindest muss Belgiern und Franzosen das Angebot, künftig die Hand über die Verteilung der EU-Mittel für gemeinsame Projekte in der Großregion zu haben, so attraktiv vorgekommen sein, dass man sich über eine institutionelle Stärkung der Großregion beim 9. Gipfel schnell einig wurde. Denn künftig soll ein 20-Prozent-Anteil der EU-Fördergelder - die Schätzungen belaufen sich insgesamt auf 80 Millionen Euro plus X für die ganze Großregion - für grenzüberschreitende Projekte aller Gebiete verwendet werden. Die zentrale Lenkung und Steuerung der Ausgaben soll ein Sekretariat übernehmen, das im Haus der Großregion seinen Platz findet. Und dieses Sekretariat sollen die Wallonie sowie die Präfektur Lothringens übernehmen."Meilenstein für die Zusammenarbeit"

Die Freude über das Gipfel-Ergebnis, das unter dem Motto "Wir in der Großregion - Elf Millionen Europäer wirken zusammen" stand, regte Kurt Beck dazu an, von einem "Meilenstein in der Zusammenarbeit der Großregion" zu sprechen. Karl-Heinz Lambertz, Ministerpräsident der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, gratulierte Rheinland-Pfalz zur "substanziellen Verbesserung der Zusammenarbeit im Saar-Lor-Lux-Raum". Und Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker war so selig, das er gar in Aussicht stellte, schon mal auf Quartiersuche in seiner Hauptstadt zu gehen, um dem Haus der Großregion eine repräsentativere Immobilie zu verschaffen. "Ich finde es gut, dass wir langsam aber sicher die Ebene der feierlichen Erklärungen verlassen", sagte Juncker bei dem Treffen in Trier. Bislang war das Haus der Großregion lediglich durch Vertreter aus Luxemburg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland vertreten, die künftige permanente Präsenz aller Regionen werde "die Substanz der Arbeit im Haus der Großregion in beachtlichen Dimensionen wachsen lassen", sagte Beck. Es werde die gemeinsame Anlaufstelle für die Großregion. Außerdem sind dort das Sekretariat der Saar-Lor-Lux-Verwaltungsbehörde und die Geschäftsstelle des Wirtschafts- und Sozialausschusses (WSA) beheimatet. Aus dem Zehn-Punkte-Arbeitsprogramm der rheinland-pfälzischen Präsidentschaft entstand außerdem eine Studie des WSA zur so genannten Clusterbildung. Danach sollen Zentren einzelner Wirtschafts-Branchen ermittelt und miteinander vernetzt werden - einer der Schwerpunkte in der wallonischen Präsidentschaft bis Ende 2007. Ein erstes Ergebnis konnte auch bei der Förderung der Kooperation der über 100 Hochschulen in der Großregion erzielt werden: Erstmals nahm ein Koordinator am Gipfel teil, der ein interregionales Hochschulprogramm entwickeln soll. "Wir wollen eine Art Hochschullandschaft in der Großregion. Aber dazu sind noch viele Bemühungen notwendig", so Becks Einschätzung. "Keine Eintagsfliege"

Weiter ist man da schon im Bereich der Kultur und der Jugendförderung: So tragen 130 Projekte aus anderen Teilen der Großregion zur luxemburgischen Kulturhauptstadt im kommenden Jahr bei; künftig soll es in jeder Gipfelperiode ein Jugendforum sowie ein interregionales Jugendfußballturnier geben. Außerdem wird das Pilotprojekt "Gemischte Klassen" fortgesetzt und ein Jugendfestival ins Leben gerufen. "Wir haben bewiesen, dass die Großregion keine Eintagsfliege ist", zog Karl-Heinz Lambertz ein positives Resümee. Der belgische Ministerpräsident der deutschsprachigen Gemeinschaft will in den kommenden 18 Monaten beweisen, "dass wir die hohen Ansprüche, die an uns gestellt werden, auch umsetzen können". Doch auf die muss er sich - ganz nach den Gepflogenheiten des belgischen Föderalismus' - erst noch mit seinen Ministerpräsidents-Kollegen, Elio di Rupo (Wallonie) und Marie Arena (französische Gemeinschaft Belgiens) einigen.

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