Gesundheitspolitik spaltet Schwarz-Gelb

Zu den heißen Eisen der Koalitionsverhandlungen gehört die Gesundheitspolitik. Die Liberalen würden am liebsten das komplette gesetzliche Kassensystem privatisieren und den Gesundheitsfonds beerdigen. Doch in der Union sieht man das anders.

Berlin. Die CSU macht sich zumindest für eine Generalüberholung des Fonds stark. Dagegen will die CDU im Prinzip alles so lassen, wie es ist. An der "Grundstruktur" werde sich nichts ändern, stellte Bundeskanzlerin Angela Merkel klar. Wie sich diese Positionen unter einen Hut bringen lassen, steht in den Sternen. Allerdings: Rund 90 Prozent der Deutschen sind in einer gesetzlichen Krankenversicherung organisiert. Das sollte die Bereitschaft zum Kompromiss befördern. So dürfte der Gesundheitsfonds zwar bestehen bleiben, aber Modifizierungen erfahren.

Seit Jahresbeginn wird der Beitragssatz von der Bundesregierung festgelegt. Derzeit beträgt er 14,9 Prozent. Für das laufende Jahr garantiert der Staat den Kassen 167,6 Milliarden Euro, die über den Fonds verteilt werden. Darin enthalten sind auch Steuermittel in Höhe von 7,2 Milliarden Euro. Das Problem ist, dass sich die garantierte Summe für die Kassen wegen der Wirtschaftskrise immer weniger über den Beitrag aufbringen lässt. Der Schätzerkreis beim Bundesversicherungsamt rechnet bislang für 2009 mit Beitragsausfällen von 2,9 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr wird es düsterer aussehen: Angesichts steigender Arbeitslosigkeit müsse man froh sein, "wenn der Fond genauso viel einnimmt wie jetzt", sagt der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem. Und das bei steigenden Gesundheitskosten. Den konkreten Finanzbedarf für 2010 will der Schätzerkreis morgen bekannt geben. Gut möglich, dass er ein Defizit von sechs bis neun Milliarden Euro verkünden muss, wie der Verband der gesetzlichen Krankenkassen mutmaßte.

Da kaum zu erwarten ist, dass Schwarz-Gelb mit einer Erhöhung des Einheitsbeitrages startet und sich auch die Steuerfinanzierung nicht beliebig erweitern lässt, werden die individuellen Zusatzbeiträge an Bedeutung gewinnen. Die kann eine Kasse jetzt schon verlangen, wenn sie mit ihren Zuweisungen aus dem Fonds nicht auskommt. Derzeit wären es maximal 36,75 Euro im Monat, die der Versicherte ohne Zutun des Arbeitgebers schultern müsste. Wahrscheinlich ist, dass die Begrenzung gelockert wird oder komplett entfällt. Langfristig würden damit die Arbeitgeber entlastet und die Bedeutung des Einheitsbeitrages würde sinken, ganz im Sinne der FDP.

Und noch einen Punkt könnte Schwarz-Gelb korrigieren: Heute darf eine Kasse einen Zusatzbeitrag von bis zu acht Euro erheben, ohne dafür die Einkommen zu prüfen. Auch ein Niedrigverdiener mit 400 Euro im Monat zahlt so die volle Summe. Schon bei einem Zusatzbeitrag von 8,50 Euro müsste der gleiche Niedrigverdiener nur vier Euro abführen. "Das ist eine völlig absurde Regelung", kritisiert Wasem.

Die CSU fordert eine "Regionalisierung" der Beitragssätze, um die bayerischen Kassen besserzustellen. Durch den Gesundheitsfonds werden die Einkommensunterschiede in den Ländern zu 100 Prozent bei den Kassenzuweisungen ausgeglichen. Im alten System mit seinen unterschiedlichen Kassenbeiträgen waren es nur 90 Prozent. Durch eine "Regionalisierung" soll der Geldabfluss in "ärmere" Länder wieder eingedämmt werden. Betrüge der allgemeine Kassensatz aber zum Beispiel in Bremen 15 und in Bayern nur 13 Prozent, dann wäre der Gesundheitsfonds entgegen Merkels Willen doch ausgehebelt. Viel Zündstoff für die Verhandlungswochen.

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