Gewalt war auf jeden Fall im Spiel

TRIER. Der psychologische Gutachter im Eifeler Vergewaltigungs-Prozess hält das mutmaßliche Opfer für glaubwürdig. Offen ließ er aber die Frage, ob der Angeklagte die Gewaltakte innerhalb der Beziehung bewusst als Straftaten empfunden hat.

"Irgendwie hab' ich den Eindruck, der Fall ist eher fürs Königlich-Bayerische Amtsgericht geeignet!". Nach einem guten Dutzend Verhandlungsstunden muss sich der Vorsitzende Richter Jörn Schlottmann mal Luft machen. Drei Prozessstage lang hat er sich durch die Jugend-Erlebniswelt einer kleinen Eifelgemeinde gewühlt, Geschichten von Sauforgien in Discos angehört, von unzähligen Seitensprüngen, die sich durchs halbe Dorf ziehen, von Eskapaden und mehr oder weniger ungewöhnlichen Sexualpraktiken. Jede Seite hat ihre sorgfältig akquirierten Zeugen aufmarschieren lassen, bei denen man an jedem zweiten Satz merkt, welcher Fraktion sie zuneigen. Nicht, dass da jemand bewusst lügt. Aber Erinnerung ist subjektiv, zumal bei Beziehungsdramen. "Die konnten nicht miteinander, aber auch nicht ohne den jeweils anderen", sagt eine Zeugin. Die Fäuste seien schon mal von beiden Seiten geflogen. "Aber der Frank hat alles für sie getan", kommt es hinterher. Sie gehört zu den vom Angeklagten benannten Zeugen. Eine andere Zeugin berichtet dagegen von angeblich unerwünschten, aber dennoch erfolgreichen Annäherungsversuchen des Angeklagten. Damals war sie eine gute Freundin der seinerzeit noch fest mit dem Angeklagten liierten Nebenklägerin, danach nicht mehr. Inzwischen ist sie es wieder. Draußen im Flur sitzt man im familiären Verband. Und Richter Schlottmann blickt ein ums andere Mal verzweifelt zur Deckedes winzigen Ausweich-Verhandlungsraums. Aber die Sache ist trotzdem bitterernst. Das wird noch einmal deutlich, als das 24-jährige mutmaßliche Opfer, manchmal unter Tränen, einzelne Fälle schildert, in denen sie sich gewaltsamen und sexuellen Übergriffen ausgesetzt fühlte. Das lässt niemanden unbeeindruckt, und dennoch beißt sich die stundenlange Befragung immer wieder an der gleichen Stelle fest: Warum die junge Frau, die nach eigener Aussage damit rechnen musste, in der Wohnung des Angeklagten gewürgt, geschlagen, sexuell genötigt und vergewaltigt zu werden, jahrelang mehrmals in der Woche aus ihrem behüteten Elternhaus dort hin ging und meist anschließend auch übernachtete. Sie habe Angst vor seiner Reaktion gehabt, lautet immer wieder die Antwort. Die Stellungnahme des psychologischen Gutachters lässt in einem Punkt keinen Zweifel: Die junge Frau, sagt er, habe die einzelnen Vorfälle keinesfalls erfunden. Die Detail-Schilderungen seien glaubwürdig. Dass es im Gesamtverhalten der Nebenklägerin erhebliche Widersprüchlichkeiten gibt, lässt er aber auch nicht außer Acht: Er könne sich nicht darauf festlegen, dass der heute 29-jährige Angeklagte seine Handlungen subjektiv als Straftaten wahrgenommen habe. Das zu bewerten sei Sache des Gerichts. So bleibt die entscheidende Frage bis Montag unbeantwortet. Dann stehen die Plädoyers und das Urteil an.

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